Über mich

Interkulturelle
Kommunikation

Philosophie

Philosophische Arbeitsblätter

Alternative Interpretationen zu David Deidas Buch Der Weg des wahren Mannes

24.5.2020

David Deida: Der Weg des wahren Mannes. Ein Leitfaden für Meisterschaft in Beziehungen, Beruf und Sexualität. J. Kamphausen, Bielefeld 2006 (15. Auflage); Original: The Way of the Superior Man (1997).

 

Erster Mann: „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss!
– Und seine Frau wird ihm sagen, was es ist.“

Zweiter Mann: „Der Mann hat immer das letzte Wort:
„Ja, Schatz!“

(Gehört in der Herrgottschnitzerhütte
bei St. Corona am Wechsel am 3.8.2019)

 

Buchcover: David Deida: Der Weg des wahren Mannes

 

Die Idee zu diesem Text

Ich habe ja an und für sich keine Neigung zu Esoterik. Trotzdem hat mich David Deidas Buch Der Weg des wahren Mannes beeindruckt, und zwar aus folgendem Grund: Ich kam zu der Erkenntnis, dass ich dieses Buch gefahrlos anderen Männern empfehlen könnte, weil man nichts falsch machen kann, wenn man sich an die Empfehlungen dieses Buchs hält.

Der Grund dafür liegt wiederum darin, dass David Deida das männliche Anspruchsniveau bezüglich der Frauen bei null ansetzt. Er setzt keine Hoffnungen in die Frauen, also können sie auch nicht enttäuschen. Auch den Männern verspricht er nichts: Er verspricht nicht, dass der Stress mit ihren Frauen irgendwann besser wird, und er verspricht auch nicht, dass die konkreten Handlungsvorschläge, die er macht, funktionieren werden. (Wenn er z.B. rät, der Mann solle seine „Partnerin“ „mit Liebe durchdringen“, indem er den Watusi für sie tanzt und nackt Opernarien singt, so kann das funktionieren oder auch nicht.)

Mit einem Wort, Deida setzt den Level auf Bodenniveau an, und vom Boden kann man nicht fallen.

Im Grund ist das überhaupt die ultimative Masche für ein Ratgeberbuch, denn er scheint irgendwie Hilfe zu versprechen, verspricht aber nichts Konkretes. Er bietet nichts an, für das er sich später beim Wort nehmen lassen müsste – er scheint nur etwas anzubieten. So kann man ihm nie „auf die Schliche kommen“.

Worauf Deidas Buch am Ende hinausläuft, ist, dass der Mann auf alle möglichen Verhaltensweisen seiner „Partnerin“ vorbereitet sein muss. (Das ist auch der Grund, warum man Deidas Buch gefahrlos weiterempfehlen kann: Wenn man immer alle Verhaltensweisen des Anderen für möglich hält, ist man immer auf der Hut, man ist immer auf alles gefasst.)

Daraufhin dachte ich: Wo, in welchen Situationen kommt denn das vor, dass wir auf alle denkbaren und undenkbaren Verhaltensweisen unseres Gegenübers gefasst sind, gefasst sein müssen, weil wir wissen, dass wir jede seiner Verhaltensweisen hinnehmen müssen? Nun, das kommt vor in Situationen, in denen wir einem Vorgesetzten gegenüberstehen, einer Autoritätsperson oder einer Person, die Macht über uns hat.

Bei diesem Gedanken klingelte es in meinem Kopf, und die Erkenntnis stellte sich ein, dass Deida – entgegen dem Anschein von Gleichheit, den er zu erwecken versucht – in seinem Buch im Grund zu erklären versucht, wie man in einer intimen Beziehung mit einem „Partner“ zurechtkommt, der eine Vormachtstellung innehat. Die Antwort ist: Man ist auf alles gefasst. Man ist darauf vorbereitet, mit jeder, auch noch so unangenehmen Verhaltensweise konfrontiert zu werden. Man erwartet jederzeit Verhaltensweisen, die weit außerhalb des moralisch Akzeptablen sind. Umgekehrt zeigt die Tatsache, dass man solche Verhaltensweisen seines „Partners“ hinnehmen muss, dass er sich tatsächlich in der stärkeren Position befindet.

(In meinem Text setze ich das Wort „Partner“ unter Anführungszeichen, weil eine Beziehung dieser Art ja in Wirklichkeit keine Partnerschaft ist, auch wenn sie von Deida als solche dargestellt wird.)

Es hat mich nun interessiert, genauer herauszuarbeiten und im Einzelnen zu betrachten, in welchen Verhaltensweisen es sich denn zeigt, dass eine Beziehung aus dem Gleichgewicht geraten ist. (Deida nennt das eine „polarisierte“ Beziehung, und ich bezeichne sie als aus dem Gleichgewicht geraten.) Aus dem Gleichgewicht ist eine Beziehung, wenn ein „Beziehungspartner“ das inakzeptable Verhalten des anderen hinnehmen muss, als wäre es ganz normal, während es in Wirklichkeit eine Zumutung darstellt.
Das Interessante an dieser Analyse ist, dass uns aus dem Gleichgewicht geratene Beziehungen üblicherweise als ganz normale und gleichberechtigte Beziehungen dargestellt werden. Das macht ja auch Deida in seinem Buch: Er deutet ungleiche Beziehungen durch eine esoterische Metaphysik des männlichen und des weiblichen Wesens als etwas Natürliches und Naturgegebenes und macht auf diese Weise aus Frechheiten etwas, das nicht aus der Welt zu vertilgen ist, weil es das Gewebe der Welt selbst ausmacht.
Umso interessanter ist die Frage: Um welche Verhaltensweisen handelt es sich, die die Vormachtstellung und die unterworfene Stellung in einer Beziehung zum Ausdruck bringen? Welche Eigenschaften charakterisieren eine Vormachtstellung? Welche Freiheiten möchte sich der Überlegene in einer Beziehung herausnehmen und welche Verpflichtungen möchte er dem Unterlegenen aufbürden?

Es erscheint mir wichtig, dass wir bei dieser Fragestellung auch von den zwischengeschlechtlichen Beziehungen absehen, um dieselben Phänomene auch in anderen Arten von ungleichen Beziehungen wiedererkennen zu können: Eltern-Kinder, Lehrer-Schüler, Arbeitgeber-Arbeitnehmer, Vorgesetzter-Untergebener, Beamter-Antragsteller etc.

Was aber die zwischengeschlechtliche Beziehung im Besonderen betrifft, so scheint Deida herausgearbeitet zu haben, dass sie sich vor allem durch ein Wesensmerkmal charakterisiert: Frauen wollen „loslassen“ können. Aus Partnersuchinseraten kennen wir den Satz (Frauensprache): „Ich suche einen Mann, bei dem ich mich fallenlassen kann.“ Er harmoniert mit Sätzen wie „Ich wünsche mir eine starke Schulter zum Anlehnen…“, „…einen Mann, der mich zum Lachen bringt…“ etc. In jedem dieser Sätze geht es um eine Art von Service, das der Mann an der Frau zu verrichten hat, das die Frau in eine positive emotionale Stimmung versetzt und es ihr gleichzeitig ermöglicht, Verantwortung abzugeben. Die Frau möchte für ihre Handlungen nicht verantwortlich sein.

In der folgenden Analyse werden wir diesem Motiv in verschiedenen konkreten Gestalten wiederbegegnen. Da es mir darum gegangen ist, die Schiefheit von Beziehungen in ihren einzelnen Phänomenen auch tatsächlich zu sehen, muss das Ergebnis der Analyse eine Liste von Verhaltensweisen sein, in welchen sich „die schiefe Ebene“ in der Beziehung konkret zeigt:

Verhaltensweise

Der eine Partner / zeitliche Dimension

Der andere Partner / zeitliche Dimension

Angst überwinden

Es bestehen keine Anforderungen an diesen Partner

Es wird von ihm erwartet, dass er seine Ängste überwindet, um ein erfolgreiches Leben zu führen / wiederholt (immer wieder)

Erfolg haben

Er braucht keinen Erfolg zu haben

Er muss bei seinem Partner und der Welt erfolgreich sein

Eine Mission verfolgen

Dieser Partner darf sich innerhalb der Beziehung ausleben und muss darüber hinaus keine Mission verfolgen.

Dieser Partner muss eine Mission verfolgen, die über der Beziehung steht / langfristig

Jemanden testen, auf die Probe stellen

Hat das Recht, seinen Partner wiederholt zu testen, ob er stark und vertrauenswürdig ist / wiederholt (augenblicksbezogen)

Muss sich jederzeit testen lassen / wiederholt (immer wieder)

Lügen

Darf „lügen“; es wird interpretiert „sagen, was er augenblicklich fühlt“ / augenblicksbezogen

Darf nicht lügen

Sein Wort nicht halten

Weil er in der Gegenwart lebt, braucht er auch sein Wort nicht zu halten / augenblicksbezogen

Gefühle stehen über Rationalität

Diesem Partner schreibt man zu, dass für ihn Gefühle wichtiger sind als Rationalität; das erlaubt ihm ein Leben in der Gegenwart, weil Gefühle von kurzer Dauer sind / augenblicksbezogen

Diesem Partner schreibt man zu, dass für ihn die Rationalität über den Gefühlen steht; es wird von ihm folglich erwartet, seine Gefühle immer zu kontrollieren

Gefühle zeigen

Dieser Partner darf seine Gefühle jederzeit zeigen (denn schließlich geht es in einer intimen Beziehung ja um Gefühle) / augenblicksbezogen

Dieser Partner muss seine Gefühle jederzeit unter Kontrolle haben.

Darf jederzeit seine Meinung ändern

Weil dieser Partner in der Gegenwart lebt, darf er jederzeit seine Meinung ändern / augenblicksbezogen

Darf nicht jederzeit seine Meinung ändern, denn er würde sich den Vorwurf einhandeln, sich selbst nicht treu zu bleiben.

Lob

Bei ihm hält man Lob für das adäquate Motivationsmittel, weil es positive Gefühle hervorruft. Kritik hingegen ruft negative Gefühle hervor, deshalb motiviert sie nicht / augenblicksbezogen (Lob ruft gegenwärtig positive Gefühle hervor)

Bei ihm hält man Kritik für das adäquate Motivationsmittel. Kritik ruft negative Emotionen hervor und motiviert zur Arbeit, um dieser peinlichen Situation zu entkommen / langfristig

Mit seiner Liebe durchdringen (und den Partner aus seiner üblen Stimmung reißen)

(Keine vergleichbare Verpflichtung gegenüber dem Partner)

Er hat die Verpflichtung, seinen Partner „mit seiner Liebe zu durchdringen“ und ihn aus seiner miesen Stimmung zu  reißen / (wiederholt) immer wieder

Abwehr von sprachlicher Kommunikation

Ist der Meinung, dass seine Gefühle über sprachlichen Argumenten stehen. Wehrt sich deshalb gegen eine genauere Beschreibung seiner Gefühle / augenblicksbezogen

Ist der Meinung, dass man auch über Gefühle reden kann (und wird deshalb von der heftigen Abwehrreaktion seines Partners überrascht)

Loslassen, sich fallen lassen / kurzfristig

Kommt mit der Erwartung in die Beziehung, sich fallen zu lassen, das heißt: den gegenwärtigen Augenblick ohne Rücksicht auf zukünftige Ziele zu genießen / augenblicksbezogen

Von ihm wird erwartet, seinen Partner zu halten bzw. ihn aufzufangen, wenn dieser sich fallen lässt.

Entscheidungen für den anderen Partner treffen

Dass der andere Partner für diesen Partner tagtäglich Entscheidungen trifft, versetzt diesen Partner in eine moralisch komfortable Situation: Wenn etwas schiefläuft, ist immer der andere Partner schuld.

Von diesem Partner wird erwartet, dass er wiederholt Entscheidungen für seinen Partner trifft. Allerdings sollen das nicht seine eigenen Entscheidungen sein, sondern der Wille des Partners soll dabei im Mittelpunkt stehen, ohne ihn im Detail zu kennen. Er soll die Wünsche des Partners erraten / (wiederholt) immer wieder

Ausleben negativer Stimmungen

Erhebt den Anspruch, seine gegenwärtigen Gefühle auszuleben – auch wenn es sich um negative Gefühle handelt und er damit den Partner belastet / augenblicksbezogen

Nicht mit seinen eigenen Emotionen selbst zurechtkommen

Von diesem Partner darf nicht erwartet werden, dass er mit seinen Gefühlen selbst zurechtkommt / augenblicksbezogen

Von diesem Partner wird erwartet, dass er sich immer unter Kontrolle hat

Den Partner verletzen

Er darf seinen Partner verletzen, denn er ist für seine Handlungen nicht verantwortlich. Seine Handlungen sind Naturgewalten / augeblicksbezogen

Von ihm wird erwartet, dass er die Verletzungen durch seinen Partner erträgt, andernfalls gilt er als „schwach“

Bedürfnis nach Liebe

Das Bedürfnis nach Zuneigung wird ihm als „Bedürftigkeit“ ausgelegt und als unattraktiv/abtörnend erlebt

Fehlende Dankbarkeit

Da dieser Partner immer in der Gegenwart lebt, kennt er keine Dankbarkeit /augenblicksbezogen

Von diesem Partner wird erwartet, dass er seinen Partner objektiv auf der Basis seines Verhaltens über viele Jahre hinweg beurteilt

Kümmert sich um finanzielle Angelegenheiten

Dieser Partner fordert stabile Lebensumstände, damit er sich fallenlassen kann

Von ihm wird verlangt, dass er sich um finanzielle Angelegenheiten kümmert, um den materiellen Rahmen der Beziehung stabil zu halten / langfristig

Konsumverhalten

Ihm wird die Verhaltensweise zugestanden, gegenwärtige emotionale Unausgeglichenheit durch spontane Konsumeinkäufe auszugleichen und damit die Wohnung vollzustellen / augenblicksbezogen

(Von diesem Partner erwartet Deida, dass er eh nichts braucht, weil seine Essenz darin besteht, sich von allem zu befreien zu wollen.)

Zuständigkeit für die Auflösung von unangenehmen Situationen

Von ihm wird das Lösen von unangenehmen oder gefährlichen Situationen erwartet, um die gewohnte angenehme Normalatmosphäre des Lebens wiederherzustellen

Beurteilen des Partners

Er darf seinen Partner beurteilen

Fehler machen

Kann keine Fehler machen

Kann in Bezug auf die Behandlung seines Partners Fehler machen

Vertrauen verdienen

Von ihm erwartet sein Partner wiederholt Nachweise psychischer Stärke und Unabhängigkeit, um ihm vertrauen zu können.

Aktivität aufrechterhalten trotz Zurückweisungen

Auf ihm lastet die Erwartung, dass er seine aktive Handlungsweise dem Partner und der Welt gegenüber trotz wiederholter negativer Erfahrungen über lange Dauer aufrechterhält, ohne psychisch auszubrennen / langfristig (widerholt)

Energie schlucken

Darf sich seinem Partner gegenüber wie ein Lebensenergievampir verhalten

Wenn er den Lebensenergievampirismus seines Partners nicht aushält, gilt er als „zu schwach“.

 

Zusammenfassung der Liste:

Wenn man die einzelnen Verhaltensweisen durchgeht, sieht man, dass sie durch zwei Merkmale ordnen lassen:

  • Augenblicksbezogen versus langfristig
  • Passiv versus aktiv

Wobei dem einen Partner jeweils augenblicksbezogen und passiv und dem anderen langfristig und aktiv zugeordnet werden.

Das geht so weit, dass das Handeln des einen Partners eigentlich gar kein Handeln ist, denn es ist augenblicksbezogen, und es handelt sich dabei eigentlich nur um Energieausbrüche.

Woher das kommt, darüber kann ich nur spekulieren. Aber ich finde, dass diese Liste überraschend gut zu der Situation passt, in der ein Partner vom anderen umworben wird. Diese Situation hat folgende Gestalt: Der werbende Partner will den umworbenen, weil er ihn begehrt; der umworbene will den werbenden nicht so sehr, aber er hegt die Haltung: „Du darfst bleiben, solange du etwas tust, das mich dazu bringt, mich besser zu fühlen!“

Durch diese „Grundsituation“ ist der umwerbende Partner in die aktive Rolle gedrängt, während der umworbene die Rolle desjenigen einnimmt, der sich immer jetzt gut fühlen will. Fühlt er sich einmal nicht gut, ist der andere schuld daran. Da der umworbene Partner sich immer jetzt gut fühlen will, ist er nicht bereit, seine Bedürfnisbefriedigung aufzuschieben; der umwerbende Partner hingegen muss sie aufschieben (weil es ja um die Gefühle des Umworbenen geht und nicht um seine eigenen).

Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Werbesituation in der Beziehung fortsetzt, so ergibt sich jenes Arrangement, das Deida beschreibt: Der eine Partner lebt ausschließlich in der Gegenwart und in seinen Gefühlen; der andere Partner ausschließlich in der Zukunft und in der Vernunft. Der eine lässt sich fortwährend gehen; der andere muss sich pausenlos unter Kontrolle haben. Der eine Partner lebt ein Leben, in dem er für seine Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden kann; der andere Partner muss die Konsequenzen der Verantwortungslosigkeit seines Partners ausbaden und ihn zugleich vor diesen Konsequenzen schützen.

Im Resultat ergibt sich eine Beziehung mit komplementärer Arbeitsteilung zwischen den Partnern. Allerdings ist das keine Beziehung, in der die beiden Partner einander helfen, um das Leben gemeinsam zu meistern, sondern eine solche, in der sich der eine Partner schwer macht und sich vom anderen durchs Leben tragen lässt. (Der tragende Partner hat nur die Wahl, entweder diese doppelte Last auf sich zu nehmen oder die Beziehung zu verlassen, denn er ist es schließlich, der etwas vom anderen Partner will, der den anderen Partner will.)

 

Einige exemplarische alternative Interpretationen:

FUSSBALLSPIELE vs LIEBESGESCHICHTEN

„Für einen Menschen mit einem maskulinen Wesenskern hat die „Mission“ oder die Suche nach der Freiheit Priorität, für einen Menschen mit einem femininen Wesenskern die Suche nach der Liebe. Das ist der Grund, warum Menschen mit einer maskulinen Essenz beim Fernsehen lieber ein Fußballspiel oder einen Boxkampf betrachten als eine Liebesgeschichte: Im Sport geht es darum, Freiheit zu erlangen und sich zum Beispiel aus dem Griff des Gegners zu befreien oder sich seinen Schlägen zu entziehen. Es geht darum, seine Mission erfolgreich zu erfüllen, den Ball ins Tor zu schießen oder nach zwölf Runden im Boxring immer noch aufrecht dazustehen. Die Mission, der Wettstreit und das Gefühl, alles zu riskieren (ja, dem Tod ins Auge zu sehen), bedeuten reine Ekstase für das maskuline Wesen. Sie brauchen sich nur anzusehen, wie beliebt Kriegsgeschichten, gefährliche Heldentaten und sportliche Entscheidungskämpfe unter Männern sind.

Doch das feminine Wesen wird zutiefst von der Suche nach Liebe berührt. Die Sehnsucht nach Liebe erfüllt alle femininen Formen der Unterhaltung – sei es in Seifenopern, Liebesgeschichten oder in Gesprächen über Beziehungen.“

(S. 16)

Alternative Interpretation des Phänomens:

Männer schauen deshalb ungern Liebesfilme, weil Liebesbeziehungen ein Lebensbereich sind, in dem sie keine Entscheidungen treffen können und nichts zu gewinnen haben.

Die Frau trifft die Entscheidung, ob eine Beziehung zustande kommt oder ob sie endet, und da sie für gewöhnlich einen Partner mit höherem Lebensstandard, Wohlstand und sozialen Status wählt, hat sie in diesem Spiel etwas zu gewinnen.

Der Mann hingegen hat nur etwas zu verlieren: Die Befriedigung seines Sexualtriebs und seines Liebesbedürfnisses haben immer einen Preis, und die einzige Frage ist, wie hoch dieser Preis ist.

Da die Frau immer einen Mann wählt, der größer, älter, stärker, gescheiter, wohlhabender und angesehener ist als sie, bekommt der Mann immer eine Frau die kleiner, jünger, schwächer, weniger gescheit und ärmer ist sowie aus einer niedrigeren sozialen Schicht kommt als er selber. Mit einem Wort, die Frau ist für ihn nicht gerade eine Errungenschaft, mit der er vor seinen Freunden angeben wird, sondern eher das Gegenteil.

Der Mann braucht nicht nach Freiheit zu suchen, denn die hat er schon. Als Mann verfügt er über keinen Busen oder andere kurvige Körperteile, die auf andere Menschen anziehend wirken, weshalb sich niemand für ihn interessiert und niemand ihn anspricht. Da er auf jeder Party alleine dasteht und auch sonst sozial isoliert ist, hat er viel freie Zeit, also Freiheit.

Wenn der Mann Fußball oder andere Sportarten im Fernsehen anschaut, dann sucht er dabei nicht Freiheit, sondern das Gegenteil davon: Anschluss an andere Männer. Beim Sport kann man sich einen durch intensive Beschäftigung einen Expertenstatus aufbauen und mit den Anderen fachsimpeln. Man kann auch Gemeinschaft empfinden, wenn man Fan desselben Fußballteams ist und Fußballübertragungen gemeinsam anschaut.

 

ZUM BLÜHEN BRINGEN

„Wenn ein Mann seiner Partnerin die wahre Gabe seiner Sexualität schenkt, durchdringt er sie über alle Grenzen hinaus und bringt sie zum Blühen. Dasselbe gilt für die Welt. Es braucht Aufrichtigkeit, Beharrlichkeit und Herzensmut, eine Frau und die Welt wirklich zum Blühen zu bringen.
[…]

Sind Sie jedoch bereit, Ihre eigene Wahrheit zu entdecken und anzunehmen, sich durch Ihre Ängste hinauszuwagen und alles zu geben, was Sie haben, dann können Sie die Welt und Ihre Partnerin aus Ihrem tiefsten Wesenskern durchdringen und grenzenlos in die Liebe erblühen lassen. Sie können Ihre Partnerin so tief mit ihrer Leidenschaft ergreifen, dass ihre Hingabe Ihr Herz aufbricht und ans Licht bringt. Sie können mit einer derart bleibenden Liebe in die Welt drängen, dass die Welt sich öffnet und Ihre tiefsten Gaben annimmt.“

(S. 42-43)

Alternative Interpretation:

Das ist eine Allmachtsphantasie. Das Schlüsselwort hier ist natürlich „annimmt“. Also, wenn ein Mann offen und ehrlich das Beste gibt, das ihn ihm steckt, dann kann er die Welt zwingen, seine Gabe anzunehmen. Auf jeden Fall wird die Welt – und werden die Frauen – seine Gabe annehmen, wenn er nur beharrlich genug mit seinem aufrichtigen Herzen hinter ihnen her ist.

Eine Allmachtsphantasie ist das deshalb, weil sie das Erfolgsversprechen einzig vom Handeln und der Einstellung des Handelnden abhängig macht: Ändere deine Einstellung, und du wirst Erfolg haben! Deidas Argumentation berücksichtigt nicht, dass zwei dasselbe mit der gleichen Einstellung machen können und der eine Erfolg hat und der andere nicht. Vielleicht gefällt der Welt deine Nase nicht (oder deine Stimme oder deine Persönlichkeit), dann kannst du tun, was du willst, ohne Erfolg zu haben.

Interessant an dieser Stelle ist allerdings die Parallelführung von Frauen und Welt, von sexuellem und geschäftlichem Erfolg: Die Welt ist eine Frau – wenn du geschäftlichen Erfolg haben willst, musst du dich der Welt gegenüber genauso verhalten wie den Frauen gegenüber und mit derselben Einstellung an sie herangehen.

Frauen und Gesellschaft stehen tatsächlich in einem Naheverhältnis, aber nicht weil sie wesensverwandt wären, so wie Deida es uns erklärt, sondern weil Frauen sich bei der Partnerwahl am beruflichen Erfolg der Männer orientieren. Ein erfolgreicher Mann mit hohem sozialem Status kann einer Frau und ihren Kindern mehr Ressourcen und bessere Lebenschancen bieten. Die Frau urteilt also oft nicht selbst über den Mann, sondern übernimmt das Urteil, das die Gesellschaft in Gestalt seines beruflichen Erfolgs über ihn gefällt hat.

Im Übrigen ergibt sich die Tatsache, dass die Gesellschaft weiblich ist, nicht daraus, dass beide unschuldig genug sind, um auf die beständige, offene Liebe des Mannes zu reagieren, sondern weil mehr als die Hälfte der Menschen Frauen sind und Frauen den Großteil (bis zu 85%) aller Entscheidungen über Konsumausgaben treffen. Wenn man also in der freien Wirtschaft erfolgreich sein will, wird man sich darum kümmern müssen, was Frauen (kaufen) wollen.

Gerade an der Stelle fehlt es aber bei Deida: Er sagt nicht: „Beobachte die Frauen und schau, was funktioniert!“ Sondern er sagt: „Schau in dich selbst hinein, erkenne deine wahre Mission und bringe sie den Frauen/der Welt.“ Das kann funktionieren, wenn du und deine Mission zufälligerweise den Frauen/der Welt gefallen, d.h. wenn du von Anfang an so bist, wie man sich dich wünscht. Aber wenn du nicht der Richtige bist, solltest du dich nicht an dir selber orientieren, denn das wird garantiert das Falsche sein.

 

ANGST

„Welche Ängste halten Sie davon ab, einen größeren Beitrag für die Menschheit zu leisten, ein höheres Einkommen zu haben oder Ihr Geld auf kreativere und erfreulichere Weise zu verdienen?“

(S. 30)

„Die Angst vor der Angst kann Sie dazu verleiten, sich zurückzuhalten und ein beschränkteres Leben zu führen, als es ihren Fähigkeiten entspricht.“

(S. 40)

Die Parallelführung von Frau und Welt in Deidas Weltsicht haben wir schon gesehen: Die Welt verhält sich wie eine Frau, die Welt ist eine Frau. Es stimmt auch, dass meine Angst vor meiner Angst mich mehr einschränken kann als unbedingt nötig ist. Das Gefährliche an solchen Argumentationen mit der Angst ist allerdings, dass sie mir mein Leben als etwas erscheinen lassen, das ich allein mit mir selbst ausmachen kann: Wenn ich meine Angst überwinden muss, muss ich mich selbst überwinden – gut, das schaffe ich. Und was ist dann mit der Welt? Dann ist sie von selbst überwunden? Weil ich meine Angst überwunden habe?

Das ist natürlich Blödsinn. Wenn ich meine Angst – den kleinen Gegner – überwunden habe, dann kommt die Welt – der große Gegner – noch hintennach. Und um die Welt zu überwinden, habe ich noch keine Vorarbeit geleistet, indem ich meine Angst überwunden habe. Die Welt ist dann noch gesondert zu überwinden. Das ist so ähnlich wie ich, wenn ich Gitarre spielen lernen will, zuerst einmal meinen Unwillen zu üben (=mich selbst) überwinden muss; aber danach bekomme ich es mit der Gitarre zu tun, mit den harten Stahlseiten, die in meine Fingerkuppen schneiden, mit den technischen Schwierigkeiten, sie zu spielen. Die Gitarre ist ein von mir unabhängiges Ding; sie setzt mir Widerstand entgegen; sie spielt sich nicht von selbst, nachdem ich meinen Respekt vor ihr überwunden habe; ich muss sie selbst als materiellen Gegenstand beherrschen.

In dieselbe Kerbe schlagen auch Argumente von der Art, Frauen seien nur ein Spiegel deiner selbst. Und: Wie du in den Wald rufst, so schallt es zurück. Auch dieses Argument suggeriert, ich kann mein Schicksal mit den Frauen mit mir selbst ausmachen. Aber das stimmt nicht, denn die Frauen sind eigenständige Menschen, sind unabhängig von mir und werden tun, was ihnen als das Vorteilhafteste für sich erscheint, egal was ich mir wünsche. Das ist darüber hinaus deshalb von Bedeutung, weil eine Frau kein Ding ist wie eine Gitarre und mich geduldig in meiner Anfängerunsicherheit üben lässt, sondern sie ist ein soziales Wesen, das mächtiger ist als ich und das über mich entscheiden darf.

Die Frauen dürfen über die Männer entscheiden, diese Macht hat ihnen die Natur gegeben, weil die Männer sich um die Frauen bewerben und die Frauen sich unter den sie umwerbenden Männern ihre Liebhaber aussuchen. Das bedeutet: Der Mann, der nicht schon von vornherein den Vorstellungen der Frauen entspricht, hat verloren. Wir haben es also, wenn wir es mit den Frauen zu tun haben, nicht nur mit uns und unserer Angst, sondern mit der Realität da draußen zu tun – und zwar mit einer Realität, die mächtiger ist als wir selber.

Wenn wir das begreifen, verstehen wir auch den Vorwurf, Frauen mögen keine unsicheren Männer, besser. Er bedeutet nicht, wie es auf den ersten Blick scheint, dass die Beziehung eines Mannes mit einer Frau gleich der mit seiner Angst ist, sondern, dass die Frau Wünsche anmelden darf, wie der Mann sein soll (nicht ängstlich, nicht unsicher), der Mann aber nicht, wie die Frau sein soll. Diese Asymmetrie ist ein Ausdruck dessen, dass die Frau in der sexuellen Partnerwahl mächtiger ist als der Mann.

Bevor du dich mit deinen Ängsten auseinandersetzt und versuchst, sie zu überwinden, solltest du dich besser mit der Realität auseinandersetzen und herausfinden, wie groß deine Gegner sind. Erst danach wirst du wissen, ob du überhaupt eine bewältigbare Aufgabe vor dir hast und ob es Sinn macht zu versuchen, deine Ängste zu überwinden.

 

ES HÖRT NIE AUF

„Es hört nie auf. Es bereitet einer Frau Vergnügen, ihren Mann immer wieder zu testen: seine Stärke in der Liebe, seine Fähigkeit, über Sticheleien hinwegzugehen, sein Beharren auf der eigenen Wahrheit und seine Fähigkeit, diese Wahrheit in Liebe mit ihr zu teilen, selbst wenn sie nörgelt – besonders wenn sie nörgelt.“

(S. 64)

Die Situation: Ein Mann kommt abends von der Arbeit heim und erzählt seiner Frau, dass er heute durch einen glücklichen Geschäftsabschluss 1 Million Dollar verdient hat. Seine Frau reagiert gar nicht darauf, sondern nörgelt anstatt dessen, weil er vergessen hat, Milch einzukaufen.

Herrn Deidas Interpretation derselben: Nichts sei für eine Frau erotischer als das göttliche Männliche in ihrem Mann zu sehen, eine Gelassenheit, die sich von ihren Sticheleien nicht aus der Ruhe bringen lässt. Deshalb stichelt sie, um zu sehen, wie stark ihr Mann ist und wie unabhängig von ihrer Zustimmung. Sie will keinen Partner haben, der eine Mama braucht, die ihm sagt, dass er ein „guter Junge“ ist. Also „prüft“ sie ihn durch Sticheln und Nörgeln, und er „besteht die Prüfung“, indem er sich nicht aus der Fassung bringen lässt, sondern die Situation mit Humor nimmt. Nur wenn er diese Prüfungen besteht, weiß die Frau, dass sie ihrem Mann vertrauen kann.

Alternative Interpretation:

Hier wird destruktives Verhalten von Frauen in Beziehungen entschuldigt, indem ihm ein höherer Sinn unterlegt wird. In Wirklichkeit ist es natürlich ums Eck gedacht, wenn man sagt, jemand sekkiere jemanden anderen, um herauszufinden, wie stark er ist. (Und selbst wenn es so wäre, wäre ein solches Verhalten eine Frechheit.) Naheliegender ist es, dass ein Mensch einen anderen sekkiert, weil er ihn sekkieren möchte, weil er etwas gegen ihn hat und ihn verletzen möchte.

Die Einsicht Deidas liegt wohl eher darin, dass das „nie aufhört“, d.h. wir haben es hier mit einem weiblichem Verhalten zu tun, das für Beziehungen belastend ist, gegen das es aber kein Mittel gibt, das der Mann anwenden könnte, um es aus der Welt zu schaffen. Da dieses Übel des Stichelns und Nörgelns also unausrottbar ist und selbst in den besten Beziehungen immer wieder vorkommt, interpretiert es Deida um in eine „Prüfung“ für den Mann. Ein Übel ist etwas offensichtlich Schlechtes, eine Prüfung könnte auch etwas Gutes sein, und schließlich: Ist nicht jeder Unglücksfall, der uns passiert, in irgendeinem Sinn eine „Prüfung“? Verherrlichen wir deshalb unser Unglück, weil es uns prüft?

Was Deida hier also macht, ist nicht, Männern eine Lösung für ein bestimmtes Problem mit Frauen aufzuzeigen, sondern ein bestimmtes weibliches Verhalten zu entschuldigen. Die Entschuldigung dieses inakzeptablen weiblichen Verhaltens führt dazu, dass Frauen sich dabei zurückhalten müssen, sondern, im Gegenteil, dazu ermutigt werden, noch mehr zu sticheln und noch zickiger zu werden. Letzten Endes zeigt sich in Deidas Ratschlag, welches Geschlecht in Beziehungen das stärkere ist: Wären Männer die stärkeren, müssten die Frauen ihr Verhalten an die Bedürfnisse der Männer anpassen und aufhören zu nörgeln; weil aber die Frauen das mächtigere Geschlecht sind, müssen die Männer verletzende Verhaltensweisen von Frauen hinnehmen und als „Prüfungen“ ansehen, denn sie können ohnehin nichts gegen sie unternehmen.

 

„FRAUEN LÜGEN NICHT WIRKLICH

Wort zu halten ist eine männliche Eigenschaft, bei Männern wie bei Frauen. Eine Person mit femininer Essenz steht vielleicht nicht zu ihrem Wort, aber sie lügt auch nicht direkt. […] Wenn sie sagt: „Ich hasse dich“ oder „Ich ziehe nie im Leben nach Texas um“ oder „Ich will nicht ins Kino gehen“, drückt sich darin häufig nur eine vorübergehende Stimmung aus, kein wohlüberlegter Standpunkt… […] Die männliche Essenz meint, was sie sagt. Das Wort eines Mannes ist ein Ehrenwort. Die feminine Essenz sagt, was sie fühlt. Das Wort einer Frau entspricht ihrer Wahrheit im gegenwärtigen Augenblick.“

(S. 68)

Alternative Interpretation:

Hier wird also die nächste inakzeptable Verhaltensweise bei Frauen entschuldigt: die Lüge. Die Strategie hinter der Entschuldigung: Frauen lügen nicht, denn sie sagen immer das, was sie im Augenblick fühlen; aber das kann sich halt alle fünf Minuten ändern. Hier hat Deida natürlich recht: Wenn sich jemand nicht überlegt, was er sagt, sondern einfach gedankenlos herausbrabbelt, was ihm in den Sinn kommt, ist das keine Lüge, sondern nur Gedankenlosigkeit, die wie Lüge erscheinen kann.

Überdies hat Deida in seine Argumentation ein Sicherheitsnetz eingebaut: Um Frauen nicht vorwerfen zu müssen, dass sie lügen, spricht er von Personen mit „männlicher und weiblicher Essenz“, wobei auch Frauen männliche Essenz haben können und sich diese Zustände je nach Situation und Notwendigkeit ändern. Es fragt sich allerdings, ob das einen Unterschied macht, denn Deidas Ausführungen, wonach in einer zwischengeschlechtlichen Beziehung ein „Partner“ zu seinem Wort stehen muss, während der andere sich gehen lassen und seine Meinung jederzeit ändern kann, zeigt ja wiederum nur ein Machtungleichgewicht zwischen den Partnern an: Und egal, ob das jetzt der Mann oder die Frau ist, der mächtigere „Partner“ ist der, der seine Meinung jederzeit ändern kann, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, dass er „lügt“.

Interessant ist in dem Zusammenhang die Rolle der Gefühle. Gefühle repräsentierten die „Wahrheit des Augenblicks“, die in gewisser Weise über der ewigen Wahrheit steht, weil ja auch unser Leben im Grunde nur aus Augenblicken besteht. Gefühle, Wertschätzung des gegenwärtigen Augenblicks und Gedankenlosigkeit (infolge des völligen Sich-Verlierens im gegenwärtigen Augenblick) werden also zu Gründen, warum jemand sich nicht disziplinieren und sein Verhalten im Zaum halten muss. Das funktioniert aber freilich nur, wenn der andere „Partner“ sich unter Kontrolle hält, während der eine sich gehen lässt. Der eine genießt den Augenblick, während der andere auf den Augenblick verzichtet – der eine genießt auf Kosten des anderen.

Diesseits von der Idealisierung des Augenblicks bleibt also festzuhalten: Wer seinem „Partner“ jederzeit Wahrheit, Ehrlichkeit und Treue nachweisen muss, bringt dadurch seine Position der Ohnmacht in der Beziehung zum Ausdruck; wer alle fünf Minuten seine Meinung ändern darf, ohne dass der Andere das Recht hätte, ihn deswegen als „Lügner“ zu bezeichnen, ist offensichtlich der Mächtigere in der Beziehung.

 

FRAUEN SIND ZU LOBEN

„Nur die maskuline Seite Ihrer Partnerin wächst durch Herausforderungen. Die feminine Seite blüht auf, wenn sie unterstützt und gelobt wird. Mit den Worten „Ich liebe die Form deines Körpers“ geben Sie ihr viel größeren Anreiz, sich fit zu fühlen, als wenn Sie sagen „Ich hoffe du nimmst nicht mehr zu.“

(S. 71)

Mit seinem Ratschlag, Frauen „mehrmals täglich“ zu loben, und zwar „besonders die Eigenschaften, die Sie nicht besonders lobenswert finden, damit sie es werden“, führt Deida eine Regel dafür ein, dass Frauen und Männer auf gegensätzliche Weise behandelt werden sollen, weil das jeweils gut für sie ist.

Für Frauen lautet diese Regel: „Lob motiviert. Herausforderungen tun es nicht.“ – und für Männer genau umgekehrt: „Herausforderungen motivieren. Lob tut es nicht.“ Diese Doppelregel führt dazu, dass Männer in der Gesellschaft schlecht behandelt werden, weil es angeblich förderlich für sie ist: „In Ihrer Kindheit haben die anderen Jungen Sie herausgefordert, um Sie anzuspornen: „Ich wette, du kannst nicht über den Zaun springen!“ Beim Wehrdienst wurden Sie als ein nutzloser Schwachkopf bezeichnet, und solche oder ähnliche Beleidigungen forderten Sie heraus, Ihr Bestes zu geben.“ (S. 71.) Die Wortwahl Deidas zeigt schon, worauf das mit den Herausforderungen hinausläuft: auf Beleidigungen.

Alternative Interpretation:

In Wirklichkeit ist es natürlich nicht so, dass Männer durch Herausforderungen wachsen und Frauen nicht, sondern die stärkeren Buben können den schwächeren herausfordern, weil sie stärker sind, und der Vorgesetzte kann den Untergebenen beschimpfen, weil sich der nicht wehren kann. Umgekehrt zeigt die Notwendigkeit von Lob an, dass sich die Machtverhältnisse verschoben haben: Den Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber nicht verlieren darf, weil er ihn nicht ersetzen kann, muss er loben. Die Tatsache, dass Frauen in Beziehungen fordern dürfen, mit Lob statt mit Kritik behandelt zu werden, bringt einfach zum Ausdruck, dass sie das wichtigere Geschlecht sind und eine Vorzugsbehandlung verdienen.

 

DER KREISLAUF DES WEIBLICHEN

„Der feminine Anteil ihrer Partnerin öffnet sich entweder in liebevoller Hingabe (das sind die einfachen Momente), oder er verschließt sich und testet damit ihre Fähigkeit, sie zu öffnen (das sind die schwierigen Momente). Dieser Kreislauf des Weiblichen ist wie alle Kreisläufe: Er endet nie. Je eher Sie lernen, die verschlossenen Stimmungen Ihrer Partnerin zu umarmen und mit ihnen zu tanzen, desto eher werden Sie über das Psychodrama hinauswachsen und das Spiel mit Humor sehen.“

(S. 74)

In diesem Kapitel geht es um das Recht der Frau auf ihre miese Stimmung. In einer Partnerschaft, in der einigermaßen Gleichberechtigung herrscht, wäre ja die Regel, den Anderen nicht allzu sehr mit der eigenen miesen Stimmung zu belasten, um ihn nicht runterzuziehen. Nicht so in Deidas Beziehungsmodell, in dem das Männliche und das Weibliche zwei entgegengesetzte Kräftepole sind.

In diesem Beziehungsmodell ist es ein Naturgesetz, dass das Weibliche wechselhafte Stimmungen hat. Die Frau ist also nicht nur wie die Welt, die der Mann mit seiner „Liebe zu durchdringen“ hat, sondern sie ist auch wie die Natur und das Wetter: „Das Wetter ändert sich ständig, Regen und Trockenheit wechseln einander ab, Tag und Nacht ziehen ihre Kreise, und Ihre Partnerin wird sich öffnen und wieder verschließen…“ (S. 75.)

Das Wetter kann man nicht ändern; man kann es nur so hinnehmen, wie es ist. Oder man kann sich in verrückten Aktionismus stürzen, um den Eindruck zu erwecken, als könnte man etwas ändern, während man in Wirklichkeit keinen Einfluss hat: „Kitzeln Sie sie. Ziehen Sie sich aus und tanzen Sie den Watusi. Singen Sie Opernarien für sie.“ (S. 74.) Wenn du dich zur Genüge vor deiner Freundin lächerlich gemacht hat und sie dennoch „deine Gaben nicht annehmen will“, dann bist du, so Deida, „vielleicht der falsche Mann für sie.“ (S. 75.)

Dieser Halbsatz ist einer der wenigen kurzen Lichtblicke in dem Buch, weil er anerkennt, dass man alles richtig machen kann und es trotzdem nichts hilft, weil man nicht der richtige Mensch dafür ist. Ein Ratgeberbuch funktioniert ja prinzipiell nach dem Schema: „Brauchst nur alles so zu machen, wie ich es dir rate (unausgesprochen: egal, wer du bist), und du wirst Erfolg haben!“ Hier aber steht Deida vor einer Situation, in der er zugibt: Du kannst alles versuchen, was dir einfällt – Erfolg ist trotzdem nicht garantiert!

Alternative Interpretation:

Auch in dieser Situation geht es wiederum nicht für den Mann darum, etwas richtig zu machen und damit die Beziehung zum Funktionieren zu bringen. Sondern es geht darum zu hinterfragen, warum der Mann überhaupt etwas richtig machen muss. Die Tatsache, dass der Frau in einer Beziehung das Recht auf ihre miese Stimmung zugestanden wird, ist nämlich kein Naturgesetz, so wie Deida es uns weismachen will, sondern Ausdruck der Tatsache, dass sie der mächtigere Beziehungs-„Partner“ ist und es deshalb dem Mann nicht recht machen muss. Sie hat ein Recht auf ihre schlechte Stimmung und deshalb auch darauf, dass er ihre Launen erträgt. Hingegen muss sie seine Launen nicht hinnehmen.

Wer die Launen des jeweils anderen hinnehmen und ertragen muss und wer sich Launenhaftigkeit in einer Beziehung leisten darf, das weist darauf hin, wer der Mächtigere in der Beziehung ist.

 

VERSUCHE NICHT, DICH MIT FRAUEN ZU VERSTÄNDIGEN

„Weil Sie Ihre Partnerin lieben, beginnen Sie ihr Fragen zu stellen, um an die Wurzel des Problems zu gelangen. „Was stimmt nicht? Habe ich etwas falsch gemacht? Weshalb weinst du? Bekommst du gerade deine Regel? Hat jemand etwas Schreckliches zu dir gesagt?
Sie glauben fälschlicherweise, dass Sie nur die Ursache ihrer Beschwerden finden müssten, um Heilung zu erzielen. Aber so funktioniert das nicht – wahrscheinlich tragen Ihre Fragen dazu bei, die Stimmung Ihrer Partnerin zu verschlimmern.“

(S. 77.)

Das Kapitel heißt „Analysieren Sie Ihre Partnerin nicht“, und die Lösung, die Deida vorschlägt, ist die von immer: „Die weiblichen Stimmungen […] sind wie das Wetter. […] Es gibt keine lineare Kausalkette, die zum Kern des „Problems“ führt.“ (S. 76.) – und: „Etwa 90 Prozent der Gefühlsprobleme einer Frau rühren daher, dass sie sich nicht geliebt fühlt.“ (S. 77.) Wenn sie mieser Stimmung ist, muss man sie also gießen – mit seiner Liebe – wie eine Blume, und vielleicht funktioniert es, oder es funktioniert nicht.

Alternative Interpretation:

Wieder stellt Deida die relevante Frage nicht: Warum muss der Mann sein Verhalten an die Bedürfnisse der Frau anpassen, indem er sie nicht analysiert? Warum muss der Mann herausfinden, wie eine Frau „funktioniert“, um dann diejenigen Verhaltensweisen zu vermeiden, die nicht funktionieren.

Deida kann am Ende ohnehin nicht versprechen, dass es funktioniert, denn wenn eine Frau wie das Wetter ist, dann regnet es eben bisweilen. Aber allein die Tatsache, dass er vorschlägt, diesen Weg zu versuchen, weist darauf hin, wer die Macht hat in zwischengeschlechtlichen Beziehungen.

Findest du nicht? Dann stell dir mal den umgekehrten Diskurs vor: „Verschließe dich als Frau nicht, wenn dein Partner dich analysiert, denn so sind Männer nun mal: Sie lösen Probleme durch Analysieren. Wenn dich dein Partner analysiert und du dich verschließt und ihm Kraftausdrücke an den Kopf wirfst, zeigst du dich undankbar dafür, dass er sich für deine Probleme interessiert und dir seine Zeit widmet. Du riskierst, dass er zu dem Schluss kommt, dass man mit dir nicht vernünftig reden kann und sich ganz von dir zurückzieht!“

Ist dieser Diskurs denkbar? Ist er nicht, weil sein Sexualtrieb den Mann mit einer Energie zur Frau treibt, die groß genug ist, um Hindernisse zu überwinden. Also kann es die Frau dem Mann schwer machen, und er wird trotzdem versuchen, damit zurechtzukommen.

Bei diesem konkreten Beispiel für ein nichtfunktionierendes männliches Verhalten Frauen gegenüber dreht es sich meiner Meinung nach übrigens gar nicht wirklich ums Analysieren von Frauen. Es geht darum, dass Frauen sich das Recht vorbehalten, sich der Kommunikation zu entziehen. Männer besprechen Probleme mit Frauen und fragen sie nach den Details. Aber wenn Gründe und Ursachen formuliert werden, beginnt Sprache verbindlich zu werden. „Du hast doch gesagt, und jetzt sagst du das Gegenteil.“

Frauen behalten es sich vor, über der Sprache und über der Logik zu stehen, um sich durch Argumente nicht einschränken zu lassen. Das bedeutet, dass sie für sich eine Position in Anspruch nehmen, in der für sie nicht gilt, was für jeden normalen Menschen gilt: das, was man miteinander bespricht. Damit das funktioniert, benötigt die Frau einen Mann, der sich unterordnet, der akzeptiert, dass für ihn die Regeln der Logik gelten, aber für seine Frau nicht, weil Frauen einfach so sind, dass sie sich Argumenten nicht beugen. Und es bedarf natürlich auch eines Mannes, der darauf verzichtet, sich mit seiner „Partnerin“ zu verständigen, denn wenn man Probleme in der Beziehung dadurch lösen muss, indem man für seine Frau den Watusi tanzt und Tiergeräusche nachahmt, da gibt es keine Verständigung. Und es stellt sich überhaupt die Frage, ob eine Beziehung existiert, wo es keine Verständigung gibt.

 

LOSLASSEN

„In ihrer Beziehung wünscht sich eine Frau nichts mehr als loslassen und sich hingeben zu können, in dem Wissen, dass ihr Mann sich um alles kümmert […]. Dann kann sie die Dinge einfach genießen, ohne alles selbst zu planen und ihrem Mann zu sagen, was er tun soll. Sie kann reine Energie, reine Bewegung, reine Liebe sein, ohne alle Möglichkeiten erwägen und sich für die richtige entscheiden zu müssen. Wenn ihr Mann die Verantwortung für alles übernimmt, kann sie es genießen, wirklich feminin – reine Energie – zu sein.“

(S. 81)

Deidas Beispiel ist der Geburtstag der „Partnerin“. In dem Fall soll man sie nicht behandeln wie einen Mann, indem man zu ihr sagt: „Heute, darfst du bestimmen, was wir tun. Wir können überall hinfahren und alles tun, was du gerne möchtest. […] Was möchtest du gerne tun?“ (S. 80.) Sondern man soll sagen: „Du hast eine halbe Stunde Zeit zu packen. Frag mich nicht, wohin wir fahren, aber wir bleiben das ganze Wochenende weg.“ (ebd.)

Alternative Interpretation:

Deida idealisiert hier einen Zustand geschlechtlicher Polarität, in der das Männliche „Kanäle, Deiche und Boote [baut]“ (S. 81), während das Weibliche wie das Meer ist, für das es „natürlich [ist], voller Kraft und ohne bestimmte Richtung zu fließen“ (ebd.). Aber in Wirklichkeit geht es nur um die Verklärung jenes Zustands der Verantwortungslosigkeit, den die Frauen „Loslassen“ nennen. Die Frauen sind nicht reine, richtungslose Energie, sondern jeder Mensch ist von Natur aus faul – und dem faulen Menschen kommt es selbst bei den Vergnügungen entgegen, wenn man sie ihm organisiert.

Außerdem: Wer sagt, was er tun will, übernimmt Verantwortung dafür - und sei es nur in der Hinsicht, dass sich das Gewünschte als nicht so unterhaltsam oder erfüllend herausstellt, wie man es erwartet hat. Wenn Frauen sagen, dass sich einen Mann wünschen, bei dem sie sich „fallenlassen“ können, dann zeigt das, dass sie der Meinung sind, in einer Beziehung so sehr das Sagen zu haben, dass sie ihre Wünsche nicht einmal aussprechen müssen. Ihr „Partner“ muss sie erraten und sie ihnen erfüllen, während sie selbst es sich gestatten, auf das geistige Niveau eines Kleinkindes zu regredieren und zu „genießen“.

 

WENN EINE FRAU TOBT

„Wenn eine Frau intensive Emotionen zeigt, wird ein mittelmäßiger Mann versuchen, sie zu beruhigen und alles zu besprechen, oder er wird sie so lange allein lassen, bis sie wieder „bei Sinnen“ ist. Ein überlegener Mann durchdringt ihre Stimmung mit unerschütterlicher Liebe und Bewusstheit. Weigert sie sich immer noch, ganz in der Liebe zu leben, lässt er sie nach einer Weile gehen.“

(S. 84.)

Hier geht es also darum, dass die Frau tobt. Das Buch steigert sich bis zu diesem Punkt und erreicht hier tatsächlich einen Höhepunkt, indem Deida die „kraftvolle Energie“ der Frau mit dem Stier und der Meereswelle vergleicht: „Der Stier wird Sie zertrampeln, die Welle wird Sie verschlingen und Ihre Partnerin wird Sie verletzen. So lernen Sie: Sie stehen wieder auf, schütteln den Staub ab, schwimmen ans Ufer und stellen sich Ihrer Partnerin aufs Neue.“ (S. 85.)

Das ist ein Beziehungsmodell, in dem man keinen „Partner“ hat, sondern in Wirklichkeit einen „Gegner“. Gewissermaßen: Wer noch nicht genug Feinde hat, der braucht noch eine Frau. Auch geht man üblicherweise mit Stieren keine Liebesbeziehungen ein; und man geht sie auch nicht ein, um zertrampelt zu werden. Hier ist also alles ziemlich verkehrt herum, und Deida spricht trotzdem vom Streben nach „Meisterschaft“, wenn man diesen Kampf aufnimmt.

Alternative Deutung:

An dieser Stelle wird am deutlichsten, dass Deida keine Lösungen anzubieten hat. Kämpfe mit dem Stier, und es wird gut ausgehen oder auch nicht! Dass es gut ausgehen wird oder auch nicht, haben wir auch schon vorher gewusst, dazu hätten wir Deidas Buch nicht lesen müssen. Er scheint mit seiner Ermutigung, den Kampf dennoch aufzunehmen, Hoffnung machen zu wollen, dass es vielleicht gut ausgeht. Gleichzeitig aber sichert er sich auch gegen die Möglichkeit ab, dass es schlecht ausgehen könnte. Und zudem baut er vor, indem er immer wieder sagt, dass der Kampf nie aufhört.

Ich glaube, worum es Deida wirklich geht, ist, in einer sehr esoterischen und die Rolle des Mannes verklärenden Weise den Männern klar zu machen, dass sie in Beziehungen mit Frauen immer die Schwächeren sein werden und Schläge jeder Art einstecken müssen. Normalerweise weiß man in Beziehungen verschiedener Art immer, was man ungefähr erwarten darf.

Nicht, dass das immer geschieht, aber normalerweise darf ich mir von einem Geschäftspartner erwarten, dass er meine Rechnungen, die ich ihm gestellt habe, bezahlt. Jede Beziehung ist in gewissem Grad eine Zähmung, eine Zivilisierung der Natur. Deida hingegen beschreibt die weibliche Energie als so wild wie die Natur. Er vergleicht die Beziehung des Mannes mit der Frau mit Dingen – dem Wetter, einem Kampfstier oder den Meereswellen – mit denen wir keine Beziehungen haben, weil sie viel zu wild, zu groß und zu mächtig dafür sind. Das Wetter kannst du nur hinnehmen; weil es nicht auf dich hört, hast du keine Beziehung zu ihm.

Deida beschreibt also die Beziehung zu einer Frau als vergleichbar mit der Beziehung zu einem Kampfstier oder mit Meereswellen. Daraus folgt, dass einem mit einer Frau etwas Gutes, aber auch etwas sehr Furchtbares passieren kann. Indem Deida auf diese Weise die Männer auf alle denkbaren Konsequenzen vorbereitet, macht er sie gewissermaßen vertrauensresistent. Und wer vertrauensresistent ist und immer mit dem Schlimmsten rechnet, ist am besten geschützt, weil er auf sich aufpasst – darin liegt der eigentliche Wert von Deidas Buch.

 

WEIBLICHE ENERGIE

„Maskuline Männer werden von der weiblichen Energie in all ihren Formen angezogen: von strahlenden Frauen, Bier, Musik, der Natur und so weiter.“

(S. 92)

Das wirkt jetzt vielleicht wie Abgleiten in Nebensächlichkeiten, aber ich glaube, dass das nicht der Fall ist. Denn wenn Deida in seinen esoterischen Polaritätsphantasien nämlich die Natur mit der weiblichen Energie gleichsetzt, dann fällt mir ein, dass viele Menschen in die Natur gehen, weil sie von ihren Mitmenschen die Nase voll haben und um sich von ihnen auszuruhen.
Alternative Interpretation:

Die Natur unterscheidet sich in einem ganz wesentlichen Aspekt von den Frauen: Sie beurteilt uns nicht. Die Frauen beurteilen uns Männer, und die Natur hat ihnen das Recht dazu gegeben, indem sie uns dazu gebracht hat, um die Frauen zu werben. Wer umworben wird, darf aussuchen und also die Bewerber beurteilen. Die Natur beurteilt uns nicht, deshalb können wir uns in ihr entspannen. Man sieht, dass die Natur gar nicht weiblich sein kann, denn es fehlt ihr dazu das wesentliche Element: die Macht über uns.

Dasselbe gilt natürlich auch für Bier, Musik und andere schöne Dinge. Sie können nämlich nicht reden. Mit Musik, die uns gefällt, können wir gefahrlos mitgrooven, ohne dass uns in einem Augenblick der Unachtsamkeit eine spitze Bemerkung sticht. Ja, und was Bier mit weiblicher Energie zu tun haben soll, das versteht ohne kein Mensch.

 

EMOTION vs RATIONALITÄT

„Eine Frau mit einer femininen Essenz kann Ihnen sagen, dass sie Sie liebt, um kurz darauf zu erklären, dass sie Sie hasst, weil Sie etwas getan haben, das Ihnen nicht einmal bewusst ist. Das ist die Schönheit des Femininen: Das männliche Netz aus Worten ist einer Frau nicht so wichtig wie die fließende Qualität der Beziehung und ihrer Gefühle.“

(S. 97)

Alternative Interpretation:

Das ist ja eine Behauptung, die man oft hört: Männer sind rationaler als Frauen und Frauen emotionaler als Männer.

In dem Zusammenhang gibt es einen Aspekt, der eigentlich nie diskutiert wird: Um seine Gefühle zeigen zu dürfen, muss man die Freiheit dazu haben. Das bedeutet: Man kann das Machtverhältnis zwischen zwei Menschen daraus ablesen, wer von beiden dem anderen gegenüber seine Gefühle zeigen darf.

Für gewöhnlich verlangen wir von einem untergeordneten Menschen, dass er seine Gefühle nicht zeigt, sondern anstatt dessen (klaglos) „funktioniert“. Wird ein Mensch wichtiger, versuchen wir ihm alles recht zu machen und ihn zu verwöhnen. Damit wir herausbekommen, was wir zu dem Zweck machen müssen, fragen wir ihn, wie es ihm geht, wie er sich fühlt. Die Gefühle eines Menschen werden erst dann bedeutsam, wenn wir uns um ihn bemühen. Wenn er sich um uns bemüht, weil er sich z.B. in einem materiellen Abhängigkeitsverhältnis von uns befindet, dann sind uns seine Gefühle egal.

Mehr noch: Bei einem Menschen, von dem wir erwarten, dass er „funktioniert“, vermuten wir gar nicht, dass er so etwas wie Gefühle überhaupt hat.
Deida konstruiert dass Mann-Frau Verhältnis als eines, in dem der Mann klaglos funktioniert und die Frau eine Art Paradiesvogel ist, der sich Gefühle leisten kann – und aus diesem Machtverhältnis leitet er irrtümlich ab, dass die Frau Gefühle hat, weil sie durch ihre weibliche Essenz in besonderer Weise zu ihnen befähigt ist. Damit verwechselt er Ursache und Folge: Der Mann würde genauso einen vielfältigen Strauß an Gefühlen hervorbringen wie die Frau, wenn er dazu ermutigt und dafür anerkannt würde – aber das wird er eben nicht.

Beweis für meine alternative Interpretation: An verschiedenen Stellen spricht Deida davon, dass die Frau „ihren eigenen männlichen Schutz“ (S. 125) aufbauen wird, wenn es der Mann nicht schafft, ihr durch sein klagloses Funktionieren jenen Rahmen oder goldenen Käfig aufrechtzuerhalten, in dem sie ohne negative Konsequenzen ausflippen (also: Gefühle haben) kann: „Mit der Zeit wird sie beginnen, ihren eigenen männlichen Schutz gegen Ihren Mangel an Integrität aufzubauen.“ (ebd.) Das zeigt, dass das Männliche nicht so, wie Deida es beschreibt, eine wesenhafte Essenz ist, sondern eine Schutzmaßnahme.

Männern erlaubt man schon von Jugend an weniger Eskapaden als Frauen, weswegen sie sich disziplinieren, zu ihrem Wort stehen, planen und sparen müssen, also Haltungen kultivieren, die vom Glück im gegenwärtigen Augenblick absehen und mit Rationalität und langfristigen Zielen assoziiert sind. Wenn jemand sich rational verhält, dann hat das also nichts mit Männlichkeit zu tun, sondern es handelt sich um ein defensives Verhalten, ein Verhalten aus einer Verteidigungshaltung heraus.

 

POLUMKEHRUNG

„Wenn ein Mann eine Frau begehrt, die ihn nicht will, kann er nur verlieren. Seine Bedürftigkeit wird jede Möglichkeit einer Beziehung verhindern…“

(S. 118)

Hier haben wir es mit einer amüsanten dialektischen Umkehrung zu tun: Also wenn ein Mann eine Frau begehrt, dann ist das verkehrt rum, weil sich Beziehung und Intimität zu wünschen für Deida etwas Weibliches ist. Aus dem Grund erscheint ein Mann, der sich in eine Frau verliebt, als „bedürftig“, und das wird, nach Deida, sofort die maskuline Seite der Frau wecken, und sie wird den Mann zurückweisen: „In solch einem Fall haben sich die Pole umgekehrt- Ihr femininer Wunsch nach Liebe trifft auf den maskulinen Freiheitswunsch der Frau.“ (S. 119.)

Alternative Interpretation:

Auch hier geht es eigentlich nur darum, eine esoterische Untermauerung zu finden für die Tatsache, dass nur diejenigen zwischengeschlechtlichen Beziehungen zustandekommen, die von der Frau gewollt werden. Was der Mann will, ist unerheblich und „[w]enn Sie ihn nicht will, sollte er sofort aufhören, ihr nachzustellen, und sich selbst um seinen Schmerz kümmern.“ (S. 118.)

Es ist natürlich witzig, wie hier mit esoterischen Mitteln ein Knopf in das männliche Begehren gemacht wird, sodass es sich selbst widerspricht, wenn es sich eine Frau wünscht. Aber das eigentlich Beeindruckende ist, dass das Machtungleichgewicht in zwischengeschlechtlichen Beziehungen bei Deida so groß erscheint, dass nur zählt, wen die Frau will, während der Mann sich seine eigenen Vorlieben von vornherein abgewöhnen kann, weil er sonst gar keine Frau bekommen wird.

Die Tatsache, dass die Wünsche des Mannes nicht zählen, ergibt sich übrigens rein logisch aus der Ansprechsituation, also aus der Werbung des Mannes um die Frau. Wenn Männer sich um Frauen bewerben, dann fällt damit der Frau das Recht zu, sich aus den Männern denjenigen auszusuchen, der ihr zusagt. Der Mann wird sich also (gesetzt der Fall, dass er nicht schon durch negative Erfahrungen eingeschüchtert ist) zuerst um diejenige Frau bemühen, die ihm als die Begehrenswerteste erscheint, dann um die Zweitbegehrenswerteste usf. Wenn schließlich die Fünfzehnt- oder Zwanzigstbegehrenswerteste seine Avancen erwidert, wird er selbst gar nicht mehr wissen, ob er sie eigentlich noch will. Denn die Erfahrungen des Abgelehntwerdens werden sein Selbstwertgefühl soweit gesenkt haben, dass er sich sagt: „Ich bekomme ohnehin nicht, was ich will. Ich werde mich ohnehin zufriedengeben müssen, mit dem was ich bekomme.“

 

„SHIT TESTS“

„Manchmal richtet eine Frau eine unmissverständliche Bitte an ihren Partner – nicht, damit er etwas Bestimmtes tut, sondern um zu prüfen, ob er so schwach ist und es tatsächlich tut. Mit anderen Worten, sie testet seine Fähigkeit, das Richtige zu tun, und nicht das, worum sie ihn bittet. Wenn ihr Partner in einem solchen Fall tut, was sie verlangt, ist sie enttäuscht und verärgert. Der Mann wird nicht verstehen, warum sie verärgert ist und wie er es ihr jemals recht machen könnte.“

(S 120.)

Solche Tests, die Frauen an Männern durchführen, sind mir schon bei anderer Gelegenheit unter der Bezeichnung „Shit Test“ untergekommen. Ich weiß nicht, warum sie Shit Test heißen – ob deswegen, weil sie testen, ob der Mann Scheiße ist oder deswegen, weil sei einfach fiese, gemeine, ethisch inakzeptable Scheißtests sind.

Alternative Interpretation:

„Ihre Partnerin testet Sie wahrscheinlich ständig auf diese Weise.“ (S. 121.) Bei Deida erscheint es so, als würde die Frau ihren Mann „testen“, um festzustellen, ob er noch immer jene starke Männlichkeit besitzt, die sie begehrt und ob sie ihm „vertrauen“ kann – mit einem Wort, ihr Verhalten wird als etwas Unschuldiges dargestellt und erscheint als moralisch gerechtfertigt.

In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass immer nur der mächtigere Beziehungspartner den ohnmächtigeren testen darf. Eltern, Lehrer und Vorgesetzte dürfen uns testen, weil sie vom Gesetz als unsere Vormünder eingesetzt sind oder weil sie mächtiger sind als wir. Wenn wir unsere Vorgesetzten oder Menschen aus einer höheren sozialen Schicht testen wollten, würden sie ärgerlich werden. In zwischengeschlechtlichen Beziehungen akzeptieren wir es hingegen offenbar, im Rahmen einer gleichberechtigten Partnerschaft getestet zu werden, und das weist darauf hin, dass solche Beziehungen in Wirklichkeit weder gleichberechtigt, noch dass sie Partnerschaften sind.

 

NÖRGELN

„Sie haben wahrscheinlich schon ähnliche Gespräche mit ihrer Partnerin geführt. In ihnen verbirgt sich der Schlüssel zur Entwicklung eines Mannes in die Freiheit. Und sie weisen auf einen häufigen Fehler hin, den Männer in Bezug auf ihre Frauen machen.
Worüber sich Ihre Partnerin beklagt, ist nur selten das, was sie wirklich stört. Es ist ein Fehler, dem Wortlaut ihrer Beschwerde zu glauben und auf jeden Punkt einzeln einzugehen.“

(S. 125)

In dem Kapitel „Ihre Klagen sind nicht so gemeint“ geht es ums Nörgeln. Diese Verhaltensweise wird von Deida jedoch nicht mit diesem Begriff benannt, sondern als „Klage“ bezeichnet. Was Männer für gewöhnlich falsch machen, ist nach Deida, dass sie inhaltlich auf die Vorwürfe ihrer Frauen eingehen: „Du hast doch gesagt, dass du die Garage aufräumst! Also warum sitzt du hier vor dem Fernseher?“ In Wirklichkeit, sagt Deida, geht es der Frau nicht um die Garage, sondern um die gefährdete Integrität des Mannes, darum, dass er etwas angekündigt hat und es nun nicht einhält.

Alternative Interpretation:

Deida weist hier auf einen „häufigen Fehler hin, den Männer in Bezug auf ihre Frauen machen“. Mir ist aber nicht aufgefallen, dass er in dem ganzen Buch keinen einzigen Fehler thematisiert, den Frauen bei der Behandlung ihrer Männer machen. Nun könnte man sagen: „Ja, aber das ist ja ein Ratgeberbuch speziell für Männer – und nicht für Frauen.“ Darauf würde ich antworten: „Mag sein, aber Obacht: Wenn man die Fehler immer nur auf Seiten der Männer vermutet, dann zeugt das davon, dass sich die Beziehung auf einer schiefen Ebene abspielt.“

Die „schiefe Ebene“ ist ein gutes Bild: Wenn ein Fußballteam bergab spielt und das andere den Hang hinauf, dann kann sich das bergab spielende Team sicherlich mehr „Fehler“ erlauben; bergab läuft der Ball schließlich von selber.
Ja, und ein König – oder eine Königin –macht gar keine Fehler.

Beziehungsweise darf man ihm keine Fehler vorwerfen, selbst wenn er welche macht – weil er der König ist, weil er mächtig ist. Fehler werden tendenziell auf der Seite des ohnmächtigeren Partners gesucht; wer machtloser ist, muss alles richtig machen. Und selbst das, alles richtig zu machen, reicht oft noch nicht aus. Aber Deida sichert sich auch gegen diese Eventualität ab, indem er argumentativ vorbaut: „Sollte sie jedoch von Ihrer tiefsten Wahrheit enttäuscht sein, dann ist sie nicht die Richtige für Sie.“ (S. 122.)

Du kannst also versuchen, alles richtig zu machen – und wenn du es nicht schaffst, hast du „Fehler“ gemacht; dann bist du für Deida ein „schwacher“ oder „mittelmäßiger Mann“. Oder du machst alles richtig, und es funktioniert trotzdem nicht – dann wäscht er seine Hände in Unschuld und sagt: „Kann auch passieren.“ Das einzige, was nicht passieren kann, ist, dass deine „Partnerin“ einen Fehler macht, denn sie ist eine „weibliche Gottheit“ und damit vor Fehlern gefeit.

 

KEINE DANKBARKEIT

„Die guten Leistungen eines Mannes haben für eine Frau keine Bedeutung. Ein Mann kann sich zehn Jahre lang mustergültig verhalten und nur für dreißig Sekunden ein Arschloch sein – seine Frau wird so reagieren als sei er immer schon eins gewesen. Die Frau reagiert auf die Energie im gegenwärtigen Augenblick und vergisst das frühere Wohlverhalten Ihres Mannes.“

(S. 131)

Alternative Interpretation:

Im Prinzip ist dieses Kapitel nur eine Variation davon, dass das Weibliche in seinem Wesen reine Energie ist und deshalb ganz in der Gegenwart lebt, sich also nicht durch zeitübergreifende Ziele in seinen Emotionen einengen lässt.

Aber man muss sich schon auch bewusst machen, was hier von Deida gerechtfertigt wird, nämlich: Es gibt keine Dankbarkeit! Wenn jemand ausschließlich in der Gegenwart lebt, dann kann es für diese Person keine Dankbarkeit geben. Und die Frage ist schon: Will man mit jemandem zusammen sein, für den es keine Dankbarkeit gibt?

Ein Mensch ohne Dankbarkeit ist wie ein Boden, auf dem trotz aller Mühe, die man sich macht, um ihn zu kultivieren, nichts wächst. Er ist wie eine Investition, die keine Rendite abgibt; wie ein Kübel mit einem Loch im Boden, durch den alles, was man einfüllt, sofort wieder abfließt. Mit einem Wort, ein solcher Mensch ist ein Energieschlucker, ein Lebensenergievampir. Nun, vielleicht sagt ja jemand: „Ich habe zu viel Blut, deshalb brauche ich einen Blutegel, sonst müsste ich gar noch Blut spenden gehen.“ – aber so, auf diese Weise und mit diesem Kalkül, erzählt Deida die Geschichte eigentlich nicht.

Klar ist, dass man ein ziemlicher Idiot wäre, wenn man sich als Mann seiner Frau gegenüber zehn Jahre wohlverhält und weiß, dass die Frau das ohnehin nicht schätzt. Wenn es richtig ist, was Deida sagt, dann sollten Männer ihr Wohlverhalten möglichst ressourcensparend einsetzen, weil es ohnehin keinen Nutzen hat und keine Früchte bringt.

 

FINANZEN

„Um in ihrem Strahlen und ihrem femininen Glücksgefühl entspannen zu können, muss Ihre Partnerin spüren, dass sie auf Ihren Zug aufsteigen kann und dass er genau da hinfährt, wohin sie will. Es ist nicht wichtig, ob Ihre Partnerin mehr oder weniger verdient als Sie… […] Wichtig ist, ob sie Ihre liebende Klarheit, Weisheit und Gewissheit in der Zielsetzung spüren kann. Solange sie spüren kann, dass Sie Ihre finanzielle Situation im Griff haben und Ihr gemeinsames Leben so ausrichten, dass die tiefste Liebe und die höchsten Gaben beider Partner manifest werden, wird sie Ihrer männlichen Zielsetzung vertrauen und sich in ihr weiblich strahlendes Herz entspannen können.“

(S. 135.)

Hier haben wir wieder mit dem Motiv des „Loslassens“ oder „Sich-Fallenlassens“ zu tun, nur diesmal in Bezug auf finanzielle Angelegenheiten. Frauen, so sagt man uns – und so sagt uns auch David Deida – wollen einen Mann, bei dem sie sich fallen lassen und entspannen können. Deida sieht das, das wissen wir schon, im Zusammenhang mit der weiblichen Essenz, die frei schwappende Energie ist, während der Mann sich immer Ziele setzt und Kanäle dorthin baut.

Alternative Interpretation:

Man kann das aber auch anders sehen: Wir haben es hier mit einer Art von Beziehung zu tun, bei der der eine Partner von vornherein bestimmt, dass er keine finanziellen Sorgen haben will. Der eine Partner will sich auf Kosten des anderen Partners „entspannen“. Hier wird eine Ungleichheit in die Beziehung eingeführt und mit der Verschiedenheit der Geschlechter begründet: Die Frau will einen Mann, der Stress von ihr fernhält und der unvermeidlichen Stress für sie übernimmt. Sie hält das für normal, denn wozu braucht eine Frau schließlich einen Mann, wenn nicht dafür?

Es ist also nicht so, dass beide Geschlechter ihre Rollen erfüllen, wie Deida suggeriert, wenn die Frau sich entspannt und der Mann sich für den Stress zuständig fühlt, sondern die Frau stiehlt sich aus ihrer Verantwortung und lässt die Nichtgleichbehandlung als Gleichbehandlung erscheinen. In Inseraten von Frauen auf Partnersuchwebseiten findet man oft den Satz: „Ich suche eine starke Schulter zum Anlehnen!“ – und als Mann denkt man sich: „Sie will sich anlehnen. Ist fein, ist mir recht.“ Die Ungleichbehandlung würde erst manifest werden, wenn dieser Satz einen unausgesprochenen zweiten Teil hätte: „…und ich will nicht, dass sich ein Mann an mich anlehnt!“

Der Satz „Ich suche eine starke Schulter zum Anlehnen!“ – ist doppeldeutig. Er kann bedeuten:

  • „…und wenn du es einmal brauchst, kannst du dich bei mir anlehnen“ oder er kann bedeuten:
  • „…aber ich will nicht, dass du dich bei mir anlehnst; deshalb sage ich ja, dass ich mich anlehnen will!“

Ebenso ist es mit dieser Loslassen-Geschichte und mit dem ebenfalls häufig vorkommenden Satz: „Ich will einen Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht.“ Es ist nichts daran falsch, dass ein Mann sein Leben im Griff hat, aber der Satz ist doppeldeutig. Die versteckte Bedeutung und also das, was die Frau damit sagen wollen könnte ist: „Er soll mir helfen, aber ich will ihm nicht helfen müssen.“

Aus diesem Grund empfiehlt sich auch bei Deida immer die Umkehrprobe. Wenn Deida also sagt: „Um in ihrem Strahlen und ihrem femininen Glücksgefühl entspannen zu können, muss Ihre Partnerin spüren, [….] dass Sie Ihre finanzielle Situation im Griff haben …“ – wäre zu fragen: Warum spricht er nicht davon, dass die Frau für irgendetwas Verantwortung übernehmen muss, damit ihr Partner sich in seinem maskulinen Glücksgefühl entspannen kann?

Wenn immer nur ein Partner die Verantwortung und den Stress zu übernehmen hat, dann ist es so, wie wenn nur ein Partner Fehler machen darf und der andere nicht, dann handelt es sich um keine Beziehung sondern um ein einseitiges Ausbeutungsverhältnis.

 

KRAM

„Eine feminine Frau sucht die Fülle und verabscheut die Leere. Sie füllt die leeren Regale mit Schnickschnack, Muscheln und Kieseln, die sie an besonderen Plätzen sammelt. Wenn sie die Fülle der Liebe nicht in sich spürt, füllt sie sich mit Eisbechern, Schokolade und Gesprächen, anstatt ihren Stress mit Fernsehen oder Ejakulationen loszuwerden, so wie Männer das häufig tun.“

(S. 140-141)

Alternative Interpretation:

Dieses Zitat erscheint mir wie ein Freibrief für die Frauen, die Wohnung mit Schnickschnack anzufüllen. Aber es rechtfertigt dieses Verhalten nicht nur, sondern schreibt die Schuld daran auch noch dem Mann zu: Die Frau fühlt sich nicht geliebt.

Schon auf S. 79 hatte uns Deida davor gewarnt, eine Frau für ihre eigenen emotionalen Probleme verantwortlich zu machen: „Die Aufforderung an eine Frau, ihr emotionalen Probleme selbst zu lösen, negiert ihren weiblichen Kern, der wie der Ozean aus reiner, bewegter Energie besteht.“ Wir können schließen: Wenn eine Frau nicht für ihre Emotionen verantwortlich sein sollte, warum sollte sie es für ihre Handlungen sein?

 

ZUSTÄNDIGKEIT FÜR UNANGENEHMES

„Neben vielen anderen Dingen will eine Frau den „Killer“ in ihrem Mann. Es widert sie an, wenn ihr Mann sich fürchtet und von ihr verlangt, die Küchenschabe oder Maus umzubringen, während er auf einem Stuhl steht und zuschaut. Es widert sie an, wenn er sie nachts aus dem Bett schickt, damit sie die merkwürdigen Geräusche im Haus überprüft und feststellt, ob vielleicht ein Dieb eingestiegen ist.“

(S. 147.)

Alternative Interpretation:

Nein, im Gegensatz zu Deidas Interpretation ist Furchtlosigkeit oder die Überwindung von Furcht kein „Ausdruck der höchsten männlichen Gabe“ (ebd.), sondern hier wird nur eine Zuständigkeit des männlichen Beziehungsteils für unangenehme Situationen etabliert. Da meine Alternativinterpretation immer nach demselben Schema verläuft, brauche ich, denke ich, nicht alle Einzelfälle konkret ausformulieren:

Wenn in einer Beziehung nur ein Partner Fehler machen kann, nur einem Partner Verantwortlichkeiten zugeschrieben werden oder nur ein Partner für unangenehme Situationen zuständig ist, weil es den anderen „anwidert“, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, dann ist mit dieser Beziehung etwas nicht in Ordnung und du solltest dich fragen, ob du nicht ausgenutzt wirst.
Dass man uns mit der Karotte für unser Selbstwertgefühl fangen will, dass wir ein „Killer“ oder ein großer „Krieger“ wären, wenn wir eine Maus gefangen haben, zeigt, wie lächerlich die ganze Angelegenheit ist und wie sich Deida über die Männer lustig macht.

 

AUF DIE PROBE STELLEN

„Ohne bewusst zu planen, gereizt zu sein, wird Ihre Partnerin Sie immer wieder auf die Probe stellen. Bis Ihr Bewusstsein in der Lage ist, Ihre Partnerin über Ihre Gereiztheit hinwegzutragen, werden Sie geprüft werden. Ein unbedeutender Mann könnte zu dem Schluss kommen: „Na, dann muss sie eben selbst damit klarkommen.“ Aber sie hätte keine Beziehung mit Ihnen, wenn sie selbst damit klarkommen wollte.“

(S. 151)

Wie wir aus dem Vorigen schon wissen, ist „prüfen“ bei Deida ein Codewort für – ich bitte um Entschuldigung für meine deutliche Wortwahl – mit dem Gesicht in die Scheiße getunkt werden. Mit Bezeichnungen wie „prüfen“ und „auf die Probe stellen“ lässt sich jede sinnlose Quälerei rechtfertigen. Im konkreten Kapitel geht es um die Frage: Warum sollte eine Frau mit ihren eigenen Launen zurechtkommen, wenn sie dich dazu hat? Oder umgekehrt: Warum sollte sie eine Beziehung zu dir haben wollen, wenn nicht um ihre Launen an dir auszulassen?

Du könntest nun danach fragen, ob du deine Launen auch an deiner Freundin auslassen darfst – aber dann hättest du das ewig Weibliche und das ewig Männliche in Deidas Buch nicht verstanden. Es geht hier nicht um „Wie du mir, so ich dir!“ – es geht nicht um Gleichbehandlung, es geht darum, dass es deine Rolle als Mann ist, ihre Stimmungen auszuhalten, weil die Energie, die sich darin ausdrückt ihr Geschenk an dich ist. Wenn sie also „schreit und das Geschirr zerschlägt“ (S. 151) musst du sie „mit deiner Liebe durchdringen“ – und übrigens verhält sich das mit der Welt genauso, denn sie ist genauso garstig wie eine Frau. Aber das haben wir auch schon einmal gehört.

Mir geht es hier nicht um das Wesen des Männlichen und des Weiblichen. Ich will einen Schritt weiter zurücktreten, von den Geschlechtern abstrahieren und sagen: Stell dir vor, du hast zwei Menschen vor dir – und der eine von beiden hat das Recht, seine Emotionen nicht beherrschen zu müssen, während der andere verpflichtet ist, das schon zu tun. Und diese Beziehung ist noch dazu eine, in der es um Emotionen, um das Ausleben von Emotionen geht – es ist eine so genannte Liebesbeziehung. Was würdest du von einer solchen Beziehung halten? Würdest du nicht sagen, sie ist aus dem Lot geraten?

Würdest du nicht sagen, dass hier ein „Partner“ auf Kosten des anderen lebt?
Und was wäre nun, wenn du in einer Kultur lebtest, in der diese Art von schiefer Beziehung als Normalität und als gleichberechtigte Beziehung aufgefasst würde? Würdest du dann sagen: „Gewiss ist das eine gleichberechtigte Beziehung, denn wenn der eine Partner den anderen mit seinen Launen verletzt, dann doch deshalb, weil der andere das Recht hat, verletzt zu werden! Mehr noch, er will es ja in Wirklichkeit! Und überhaupt ist das doch allzu verständlich, denn: Wenn der eine Partner den anderen nicht bräuchte, um ihn anzuschreien und das Geschirr zu zerschlagen, wozu bräuchte er dann überhaupt einen Partner?“

 

AUSBRENNEN

„Die Welt wird Ihre Fähigkeit, trotz aller Zurückweisungen Ihr Bestes zu geben, ständig auf die Probe stellen. Eine Frau, die Ihre Liebe zurückweist, ist einfach nur die Verkörperung dieses Aspektes der Welt.“

(S. 179)

„Mit einem kurzen Zungenschlag, einem sanften Stöhnen oder einer Saftigen Drehung ihres Beckens kann sie Ihnen das Leben aussaugen. Und in der Tiefe ihres Wesens weiß sie, dass Ihnen die Welt dasselbe antun kann.“

(S. 180)

Im konkreten Kapitel geht es darum, dass Deida Männern rät zu lernen, ihre Ejakulationen zu kontrollieren. Denn wenn der Mann beim Sex „abspritzt“, wird seine „Partnerin“ das Gefühl haben, „ihm nicht vertrauen zu können“, denn: „Seine Partnerin und die Welt können ihn leicht auspumpen und entpolarisieren.“ (S. 176.)

Alternative Interpretation:

Das Schlüsselwort hier ist natürlich „auspumpen“. Mir erscheint dieser Ratschlag Deidas sehr gefährlich zu sein, denn er ist ein Rezept zum Ausbrennen, zum Burnout.

Lassen wir uns von diesem Ejakulations- und Körperbeherrschungsthema nicht ablenken. Was beschreibt Deida hier eigentlich? Er beschreibt einen Menschen, der gibt und der als Reaktion auf die Ablehnung, die er erfährt, noch mehr gibt.

Das ist eine völlig unnatürliche Verhaltensweise: Normalerweise investieren wir in ein neues Projekt ein gewisses Maß an Mühe, und wenn wir sehen, dass es keine Früchte bringt, dann ziehen wir uns zurück und versuchen etwas anderes.

Diese Verhaltensweise ist auch sinnvoll, denn sie erlaubt es uns nicht nur, mit unserer begrenzten Energie hauszuhalten, sondern auch herauszufinden, welche Tätigkeiten und Projekte erfolgreich sind und welche nicht. Wenn wir bei einer Tätigkeit positive Rückmeldungen erhalten, machen wir eben etwas mehr davon und etwas weniger von einer anderen Tätigkeit.

Deida empfiehlt uns nun, negative Rückmeldungen als „Prüfungen“ aufzufassen und ihnen mit noch mehr emotionalen Investitionen zu begegnen. Das bringt uns in Situationen, wo wir mit dem „Kopf durch die Wand“ wollen (denn eine Wand bietet am meisten Widerstand) und in aussichtslose Situationen. Dieser Rat macht den Menschen orientierungslos, weil die Zurückweisung ja keine Information enthält: Wenn Zurückweisung und Akzeptanz in gleicher Weise das Signal zum „Weitermachen“ sind, dann erfährt man nicht, an welcher Stelle es aussichtsreich ist weiterzumachen und an welcher nicht. Das Ergebnis wird sein, dass man jedem Hindernis mit noch größerer Anstrengung begegnet – und das führt zur Erschöpfung.

Interessant ist wiederum die Parallelsetzung von Frau und Welt, die sich durch dieses Kapitel zieht. Die Welt ist wie die Frau: Sie stellt einen auf die Probe. Und die Frau prüft dich, um herauszufinden, ob du der Welt standhalten kannst. Denn wenn du vor einer Frau einknickst, wirst du auch vor der Welt einknicken. (Und wie geht’s weiter: Wenn du vor der Welt einknickst, dann will dich deine „Partnerin“ nicht mehr, weil sie will, dass du sie vor der Welt beschützt?!)

Ich habe eine Vermutung, woher diese Gleichsetzung von Frau und Welt kommt: Sie kommt aus der mangelhaften Kommunikation zwischen Mann und Frau. Wenn der Mann, so wie das ja auch Deida sieht, in zwischengeschlechtlichen Beziehungen immer das aktive Element sein muss, dann bekommt er keine ordentlichen Rückmeldungen: Eine positive Rückmeldung kann eine positive Rückmeldung sein, aber sie muss nicht unbedingt positiv sein. Vielleicht war sie nur oberflächlich, und die Frau hat in der Tiefe ihrer Seele eine negative Meinung. Eine negative Rückmeldung kann negativ sein, vielleicht ist sie aber auch nur eine Prüfung und hat die Bedeutung, dass man sich zu wenig stark bemüht hat.

Dieses Thema zieht sich durch das gesamte Buch Der Weg des wahren Mannes: Ein Mann kommt abends heim, erzählt seiner Frau, dass er heute eine Million Dollar verdient hat und seine Frau nörgelt. Dann kann er den Watusi für sie tanzen und sie mit „seiner Liebe durchdringen“, aber ob das was helfen wird, dafür übernimmt Deida keine Garantie. Mit einem Wort, wir haben wir es hier mit dem Problem zu tun: Wie verhält man sich gegenüber jemandem, der verantwortungslos kommuniziert? Wie verhält man sich gegenüber jemandem, dem es egal ist, ob er dich mit seinen Rückmeldungen ermutigt oder frustriert?

Nun, wie verhält man sich in diesem Fall? Man versucht dieses und jenes, dann das Gegenteil – und nach einer gewissen Zeit hört man auf und zieht sich zurück, weil man sieht, dass gar nichts funktioniert. Aber auch wenn eine Verhaltensweise funktioniert hat, weiß man natürlich nicht, ob sie gut war und ob sie das nächste Mal wieder funktionieren wird.

Die Ursache für diese „verantwortungslose Kommunikation“ liegt aber darin, dass die Frau weiß, dass sie sich passiv verhalten darf, weil der Mann so durstig nach weiblicher Aufmerksamkeit ist, dass er bei nächster Gelegenheit wieder zu ihr kommen und eine neue Initiative starten wird. Das heißt, am Grunde dieses „Kommunikationsproblems“ liegt einseitige Kommunikation. Wir haben es bei zwischengeschlechtlichen Beziehungen mit einseitiger Kommunikation zu tun, weil vom Mann erwartet wird, dass er immer wieder die Initiative ergreift und der Frau immer wieder die Möglichkeit eröffnet zu reagieren

Die Kommunikation würde sich verändern, wenn die Männer sich zurückziehen würden und die Frauen sich zur Abwechslung ebenfalls in die aktive Rolle gedrängt sehen. Dann müssten sie nämlich Kommunikationsangebote machen und für diese einstehen, also Verantwortung übernehmen. Der Mann würde dann wissen: Wenn ich auf eine Frau zugehe und sie reagiert, erfreut, angewidert, verschnupft oder sonstwie, dann muss ich zwar darauf reagieren, aber es hat keine tiefere Bedeutung, denn es handelt sich dabei ja nur um ihre Reaktion auf meine Initiative. Aber wenn sie selbst die Initiative ergreift und auf mich zukommt, dann hat das schon eine gewisse Bedeutung. Denn sie hat die Entscheidung dazu treffen müssen, ihren Mut zusammennehmen, Hindernisse überwinden müssen und jetzt steht sie vor mir.

Ja, und die Welt ist für uns Männer so wie die Frauen, denn sie kommt auch nicht auf uns zu. Immerzu wollen nur wir etwas von der Welt, und die Welt ist uns gegenüber gleichgültig. Immer gehen nur wir zur Welt mit einem Vorschlag, mit einer Kommunikationsinitiative, und die Welt kommt nie zu uns. Und aufgrund der Einseitigkeit dieser Kommunikationsbeziehung können wir die Reaktionen der Welt auf unsere Vorschläge nicht interpretieren. Denn reagiert die Welt gereizt auf uns und beschert uns einen Misserfolg, so kann das sein, weil der Welt unser Angebot nicht gefallen hat; es kann aber auch genauso gut sein, dass die Welt gerade an sich gereizt und schlechter Stimmung war.

Es empfiehlt sich deshalb, sich die Reaktionen der Welt nicht zu Herzen zu nehmen und mit einer gewissen Beharrlichkeit immer weiter zu machen. (Denn was anderes könnte man sonst auch tun?) Wichtig aber ist die Erkenntnis, warum das so ist: Die Welt erwartet nichts von uns; deswegen laufen nur immer wir zur Welt und deshalb ist die Kommunikation einseitig. Die Welt reagiert auf uns mit Gleichgültigkeit, denn für die Welt existieren wir gar nicht.
Wenn das, was für die Welt stimmt, auch auf unsere „Beziehung“ zu den Frauen zutrifft, dann ist das natürlich fatal.

Aber hier betrachte ich das alles ja nur als reines Gedankenspiel und arbeite mit den begrifflichen Konzepten, die Deida uns anbietet. Wenn also Deida für zwischengeschlechtliche Beziehungen „Polarität“ fordert und Polarität darin besteht, dass die Frau wie das Meer ist – reine, ziellose Energie, während der Mann Brücken und Kanäle baut, dann ergibt sich aus diesem Beziehungskonzept eine dysfunktionale Kommunikation. Grund: Das Meer, das reine, ziellose Energie ist, wird dir nichts Bestimmtes sagen, weil es einmal hierhin schwappt und einmal dorthin – und wo nichts Bestimmtes gesagt wird, da fließt auch keine Information, aus der man etwas lernen könnte.

Zum Schluss noch eine Bemerkung: Deida sagt an verschiedenen Stellen, der Mann müsse dieses oder jenes tun, damit seine „Partnerin“ ihm vertrauen könne; er sagt aber nirgendwo, dass die Frau irgendetwas Bestimmtes tun müsse, damit ihr „Partner“ ihr vertrauen kann. Wir haben es also nicht nur mit einseitiger Kommunikation, sondern auch mit einer einseitigen Vertrauensbeziehung zu tun. Die Mann-Frau-Beziehung nimmt dadurch für den Mann die Gestalt an: Wie bändige ich ein wildes Tier?

philohof

Meine Interpretation von David Deidas Buch Der Weg des wahren Mannes auf der Basis der von mir gewählten Analysemethode

Man kann wohl sagen, dass der Mensch von Natur aus zur Faulheit tendiert. Das heißt, wenn er sich nicht zusammenreißt, lässt er sich gehen. In diesem Zustand macht er nur, worauf er augenblicklich Lust hat, verfolgt keine langfristigen Ziele, und wenn etwas in seinem Leben nicht nach Wunsch läuft, dann gibt er anderen die Schuld dafür.

Wenn sich nun ein Mensch in einer intimen Beziehung mit einem anderen Menschen befindet, der ihn mehr braucht als er den Anderen, so wird der Andere dazu tendieren, die Launen dieses Menschen zu ertragen aus Angst, ihn andernfalls zu verlieren. Und die Tatsache, dass er von seinem „Partner“ nicht zur Ordnung gerufen wird, wird es diesem Menschen ermöglichen, seine Faulheit und Undiszipliniertheit im Schutze der Beziehung auszuleben.

Er wird dann alle jene Verhaltensweisen kultivieren, die Deida dem weiblichen Wesen zuschreibt. Aber in Wirklichkeit sind sie nicht Ausdruck der Weiblichkeit sondern der Liederlichkeit. Er wird auf Kosten seines „Partners“ leben. Aber er wird es nicht aufgrund seines „weiblichen Wesens“ tun, sondern deshalb, weil es der Andere zulässt, weil er ihm alles durchgehen lässt.

© helmut hofbauer 2020