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Dissertation: Bezugspunkt Gesellschaft

Ökonomie und Shoppingmentalität

Warum Geldverschwendung oft erfolgreicher ist als Sparen und Anlegen

Eine Rezension von: Sophie Kinsella: Confessions of a Shopaholic. Black Swan, London 2009 (2000).

 

"I dreamed of being a millionaire,
spending my money like a drunk cowboy - and wasting it.
Now I dream of collecting my unemployment
just when I've found somewhere to lay my head."

(Freddie Robinson: "Changing dreams" (1973))

 

1. Finanzthemen existieren für die meisten Menschen schlicht nicht

Ich selbst bin ja ein eher ökonomischer Typ, ich tendiere zum Ökonomischen.
Aus dem Grund interessiert mich, wie die Gegenseite tickt. Wie funktionieren nichtökonomische Menschen?

Was mich aber insbesondere interessiert, das ist die Feindschaft gegen das Ökonomische, die spontane Ablehnung und der Hass gegen ökonomische Denk- und Verhaltensweisen, denen auch ich immer wieder in den Reaktionen meiner Mitmenschen begegne. Weswegen ich mich mittlerweile zurückhalte, anderen Menschen gegenüber ökonomische Gedanken zu äußern. Ich habe einfach lernen müssen, dass sie nicht unkontroversiell sind. Obwohl man denken würde, und die Wirtschaftwissenschaften es annehmen, dass alle Menschen sich ökonomisch verhalten.

Aber weit gefehlt. Sophie Kinsella beschrieb in ihrem Roman Confessions of a Shopaholic eine Protagonistin, Rebecca Bloomwood, in London, die mit frischem Universitätsabschluss gerade ihren ersten Job hat (als Finanzjournalistin beim Journal „Successful Savings“) und infolge ihrer Shoppingsucht auf dem schnellsten Weg in Richtung Privatkonkurs unterwegs ist.

Die zentrale Szene in dem ganzen Buch ist aus meiner Sicht folgende, deren Hintergrund ich kurz erklären muss: Rebecca ist ins Fernsehen gekommen, in eine Talkshow („Morning Coffee“), nachdem sie einen Artikel in der Boulevardzeitung „Daily World“ veröffentlicht hat, in dem sie darstellt, wie ihre Nachbarn, Martin und Janice Webster, von der Firma Flagshiff Life betrogen worden sind.

Sie hatten bei Flagshiff Life über viele Jahre in einen Investmentfonds eingezahlt. Als Flagshiff Life von einem anderen Unternehmen übernommen wurde, wäre eine außertourliche Zahlung in der Höhe von 20.000 Pfund an die Websters fällig geworden. Aber die Firma ersparte sich die Zahlung, indem sie die Websters kurz vorher einlud, den Investmentfond zu wechseln und ihnen im Gegenzug dafür ein kleines Werbegeschenk anbot. Die Websters vertrauten ihrem Anlageberater, bekamen eine Uhr und verloren 20.000 Pfund.

Die Situation in der Fernsehtalkshow ist nun die, dass die beiden Sendungsmoderatoren, Emma und Rory, ebenso verblödet sind wie ihr Publikum vor den Fernsehgeräten und Finanzthemen unverständlich, weil „abstrakt“ und „technisch“, finden. Was macht nun Rebecca, wie erklärt sie diesen Leuten die Relevanz der Vorkommnisse?

“It all sounds a bit technical for me,” he says with a little laugh. “Bit complicated.”
“OK, let’s put it another way,” I say quickly. “Let’s... […] suppose I’m in a clothes shop!” I open my eyes again. “I’m in a clothes shop, and I’ve chosen a wonderful cashmere Nicole Farhi coat. OK?”
“OK,” says Roy cautiously.
“I love Nicole Farhi!” says Emma, perking up. “Beautiful knitwear.”
“Exactly,” I say. “OK, so imagine I’m standing in the checkout line, minding my own business, when a sales assistant comes up to me and says, “Why not buy this other coat instead? It’s better quality than this one – and I’ll throw in a free bottle of perfume.” I’ve got no reason to distrust the sales assistant, so I think, wonderful, and I buy the other coat.
“Right,” says Rory, nodding. “With you so far.”
“But when I get outside,” I say carefully. “I discover that this other coat isn’t Nicole Farhi, and isn’t real cashmere. I go back in – and the shop won’t give me a refund.”
“You were ripped off!” exclaims Rory, as though he’s just discovered gravity.
“Exactly,” I say. “I was ripped off. And the point is – so were thousands of Flagstaff Life costumers. […]”
(S. 282)

Richtig: Sie tut nicht mehr als den Betrug aus der Welt des Sparens und Investierens in die Welt des Einkaufens zu transferieren. Denn auch beim Einkaufen kann man reingelegt werden.

Für mich ist diese Passage aus folgendem Grund erhellend: Der Grund dafür, dass Finanzthemen vielen Leuten „abstrakt und technisch“ erscheinen (wie Rory klagt), liegt nicht darin, dass sie schwerer zu verstehen wären (oder dass man dafür Mathematik bräuchte), sondern darin, dass sie in diesem Bereich keine Erfahrungen haben. Im Bereich des Einkaufens haben sie Erfahrungen, deshalb ist das Beispiel von Rebecca für sie unmittelbar verständlich. Aber dass man Geld sparen und anlegen könnte, erscheint ihnen sinnlos und unverständlich.

Finanzthemen sind für sie nicht deshalb unverständlich, weil sie schwierig wären, sondern weil sie ein Nichtthema sind. Es ist das ein Lebensbereich, in welchem ein „normaler“ Mensch weder etwas sucht noch zu finden hofft, weshalb er meint, nur merkwürdige Außenseiter würden sich damit beschäftigen.

Rebecca zeigt durch ihr Beispiel vom Kauf eines Nicole Farhi-Mantels, dass es so ist: Man kann im britischen Fernsehen offenbar davon ausgehen, dass die Zuschauer wissen, was ein Nicole Farhi-Mantel ist (Ich weiß es nicht.), aber man kann nicht davon ausgehen, dass sie verstehen, dass eine Familie um 20.000 Pfund geprellt worden ist, indem die Investmentgesellschaft ihnen riet, den Fonds aufzugeben, der zu einer Sonderzahlung berechtigte.

 

2. Wertzuwachs durch Kaufen

Was ich aus Kinsellas Buch gelernt habe, ist, dass sich Shoppingcharaktere einen Wertzuwachs ihrer eigenen Person erkaufen möchten. Das ist an sich noch nicht überraschend, sagt doch die Wirtschaftstheorie, dass jeder Mensch nur dann etwas kauft, wenn ihm persönlich die Ware mehr wert ist als das Geld, das er dafür ausgibt.

Das trifft übrigens auch für den ökonomischen Menschen zu, mit dem Unterschied allerdings, dass er seinen Besitz in seinem Geldvermögen sieht, weshalb ihn jede Geldausgabe ärmer macht bzw. von seinen finanziellen Zielen entfernt. Für den Shoppingmenschen hingegen macht Geldsparen und –anlegen keinen Sinn, weil er nicht daran glaubt; diese Alternative ist ihm also versperrt.

Es ist leicht verständlich, um ein Beispiel zu nennen, das ich mal in Zusammenhang mit Warren Buffett gelesen habe, dass es einem schwer fällt, 10 Dollar für einen Haarschnitt auszugeben, wenn man weiß, dass man aus diesen 10 Dollar durch Geldanlage innerhalb weniger Jahre 100 oder sogar 1000 Dollar machen könnte. Wenn man diese Möglichkeit hingegen nicht für realistisch hält, dann gibt man sein Geld lieber aus, denn es bringt wenig Zinsen, wenn man es in die Bank legt und zugleich wird sein Wert von der Inflation aufgefressen.

Also gibt der Shoppingmensch es aus. Bei der Erlangung eines persönlichen Wertzuwachses helfen ihm Marken. Mir war diese Funktion der Marken nicht klar gewesen. Für mich waren Marken bislang nur Qualitätsversprechen der Unternehmen gewesen, denen ich wenig Glauben schenke, weil in der Praxis heute ohnehin alles „Made in China“ ist. Für den Shoppingmenschen hingegen ist die Marke offenbar so etwas wie ein Preisschild für Eingeweihte: Ein jeder Mensch, der sich mit Markenkleidung beschäftigt, sieht auf den ersten Blick, dass jemand teuer angezogen ist.

Rebecca Bloomwood ist sich immer der Marken bewusst, die sie trägt, und sie bezieht ihren Selbstwert daraus:

Das Zitat zeigt, dass zu dem Zweck der Wertsteigerung durch Kauf von Markenklamotten auch eine soziale Infrastruktur notwendig ist, ebenso wie ja die Marken selbst auch Elemente dieser sozialen Infrastruktur sind. Aber zusätzlich gehören dazu offenbar auch Zeitschriften, die den Menschen anbieten, das Wahrnehmen und Denken in Marken einzuüben. Wobei das eine Form der Wahrnehmung ist, in der man sich selbst aus der Perspektive anderer Menschen sieht.

Denn für einen Shoppingmenschen ist ja Kleidung nicht einfach nur was zum Anziehen. Es genügt also nicht, dass sie kleidet (also den Körper bedeckt). Sondern sie soll die anderen Menschen dazu anregen, einen zu bewundern. Der Markenwert ist weder der Tauschwert noch der Gebrauchswert von Kleidung, sondern noch einmal ein anderer Wert, der in der Wirtschaftstheorie keine Berücksichtigung findet: Er ist der Wert, der den Wert einer Person nach außen hin sichtbar macht.

Für den ökonomischen Menschen ist Kleidung ja einfach „Plunder“ (Nomenklatur des Finanzjournalisten Tim Schäfer). Zum Plunder gehören auch große Autos, Wohnungsausstattung und Luxusgüter. Also alles, bei dem der Shoppingmensch in Bewunderung ausbricht. Für den ökonomischen Menschen ist das nur etwas, das sich abnutzt und das man abstauben muss.

Das ist kein Wunder, für den ökonomischen Menschen sind Markengegenstände eben keine Markengegenstände. Er kauft sie für sich selbst und berücksichtigt daher nur ihren Gebrauchswert. Wenn Rebecca Bloomwood hingegen einen Denny und George-Schal kauft (Das ist offenbar eine Marke, die von Sophie Kinsella erfunden wurde.), dann deshalb, weil sie mit im assoziiert werden möchte: „People will refer to me as the Girl in the Denny and George scarf.“ (S. 22)

Der Shoppingmensch kauft, um dadurch mehr zu erscheinen, als er ist. Er möchte in den Augen der Anderen mehr gelten, dieses Ziel aber nicht durch Leistung erreichen, sondern dadurch, dass er in den Kleidern eines Gewinners herumspaziert. Das ist der Sinn der Übung beim Einkaufen.

 

3. Gegenseitige moralische Vorwürfe

Jetzt kommen wir zu den praktischen Folgen dieser beiden entgegengesetzten Einstellungen zum Geld. Der ökonomische Mensch und der Shoppingmensch halten einander gegenseitig aus unterschiedlichen Gründen für unmoralisch. Wobei ich persönlich nur die Vorwürfe kenne, die mir von meiner mitmenschlichen Umwelt als ökonomischer Mensch gemacht werden, während ich mir erst schrittweise darüber klarer werde, was mir an den Shoppingmenschen missfällt.

Ein solcher Vorwurf, der mir wiederholte Male von einem Freund gemacht wurde, lautet: „Sei doch nicht so gierig! Investiere lieber mal in neue Kleidung!“

Das Erste, woran ich bei dieser Aussage hängenbleibe, ist: „Aber Kleidung ist doch keine Investition! Kleidung ist eine Konsumausgabe!“

Aber es scheint unter den Shoppingmenschen weitverbreitet zu sein, Konsumausgaben für Investitionen zu halten. Auch Rebecca Malone hält den Kauf von drei Sonnenbrillen der Marke NK Malone für eine Investition: „People will call me the Girl in the NK Malone shades. […] Oh this is such an investment.“ (S.316)

Noch dazu glaubt sie, Geld zu sparen, weil die drei Brillen von 420 Pfund auf 200 Pfund verbilligt sind. Ich würde diesen Kauf auch nicht als Sparmöglichkeit auffassen, sondern ihn angesichts der Tatsache, dass sie schon eine Sonnenbrille (Armani) besitzt, als überflüssig bezeichnen. (Die bekannte Redewendung aus der Werbung: "Nimm drei, zahl zwei und spare X%", ist nicht wirklich ökonomisch, sie erscheint nur so aus Shoppingsicht. Ein ökonomischer Mensch würde nicht glauben, dass er etwas spart, wenn er etwas kauft, das er nicht braucht.)

Noch mehr aber sollte mich wahrscheinlich der erste Teil des Vorwurfs meines Freundes stören: Warum sollte ich gierig sein? Ein Mensch mit ökonomischer Orientierung schränkt sich ein, um Handlungsspielräume daraus zu gewinnen, dass er weniger ausgibt, als er einnimmt. Wer hingegen mehr in den Augen seiner Mitmenschen erscheinen will, hat Geltungssucht. Passt zu diesem Bestreben der Vorwurf der Gier nicht viel besser als zu demjenigen Menschen, der seine drei Kreuzer lange in der Hand dreht, bis er sie ausgibt?

Das würde natürlich der Shoppingmensch nicht so sehen, denn gierig kann doch schließlich nur derjenige sein, der nach Geld strebt. Das ist ein Punkt, an dem die Shoppingcharaktere zu den reinsten moralischen Engeln werden: Oft drücken sie ihre Abscheu gegenüber Geld aus und sehen es als uneigennützige Großzügigkeit, dass sie es im Kaufakt hergeben.

Zu dumm, dass sie immer mehr Geld brauchen, um es beim Shopping auszugeben. Das ist wiederum ein Punkt, an dem der ökonomische Mensch dem Shoppingmensch einen moralischen Vorwurf machen würde. Der Shoppingmensch hat keine Kontrolle über sich. Er häuft immer mehr Schulden an, bis ihm andere Menschen aus seiner katastrophalen Lage heraushelfen müssen. Im Fall von Rebecca Bloomwood kommen noch all die Briefe hinzu, die ihr Bankberater und Mitarbeiter von Kaufhäusern, bei denen sie Kundenkarten hat, schreiben, um sie auf ihre überzogenen Konten hinzuweisen und die sie ungelesen wegwirft oder mit Lügen beantwortet.

Der entsprechende Vorwurf der Shoppingmenschen an den ökonomischen Menschen lautet: „Du bist asozial.“ Und das ist natürlich nicht zu verleugnen: Allein wenn ein Mensch sich eine Übersicht schafft über seine Einnahmen und Ausgaben mit dem Ziel, weniger auszugeben als einzunehmen, sieht er sich allein; er sieht sich als Individuum; er überlegt, wie er mit sich selbst zurechtkommt. Ein Mensch, der sich ökonomisch verhält, macht seine Geldangelegenheiten mit sich selber aus. Das ist asozial, denn er erwartet keine Hilfe von anderen Menschen, sondern orientiert seine eigenen Bedürfnisse an seinen eigenen finanziellen Möglichkeiten.

Ist das eigentlich je beschrieben worden, dass das Ökonomische asozial ist? Die Ökonomie ist die Hauswirtschaftslehre (von griech. "oikos" - das Haus). In ihr versucht sich das Haus so zu organisieren, dass es Autonomie gegenüber seiner Umwelt gewinnt und genug Vorräte ansammelt, um über längere Mangelperioden (klassisch: den Winter) zu kommen. Sozialdemokraten sind üblicherweise Keynesianer, sie leben gern auf Kredit - und sind also Shoppingmenschen, sie sind nicht ökonomisch orientiert.

Im Grunde ist das wohl schon alles, was ich in diesem Text sagen will: Wenn du danach strebst, ein eigenständiger, selbstbestimmter Mensch zu werden, dann sei dir bewusst, dass das asozial ist. Alleine die Richtung dieses Strebens, das Ziel dieses Wunsches ist asozial. Und die Menschen werden dich dafür hassen. Von daher kommt der Hass vieler Menschen gegen das Ökonomische. Rebecca Bloomwood in Kinsellas Roman dagegen verhält sich völlig verantwortungslos, und man erwartet als Leser, dass erzählt wird, wie sie für ihr Verhalten bestraft wird. Anstattdessen erzählt der Roman davon, wie sie dafür belohnt wird, wie alle sie mögen und sie schlussendlich durch die menschliche Gemeinschaft in Form der britischen Fernsehzuschauer gerettet wird: Der gute Mensch, so scheint die Botschaft zu sein, ist der Schuldner - er verbindet sich durch seine Schulden mit den anderen Menschen.

Vorwürfe an den ökonomischen Menschen:

  • Du bist gierig!
  • Du willst mehr Geld haben!
  • Du „investierst“ nicht in dich!
  • Du bist asozial!

Vorwürfe an den Shoppingmenschen:

  • Du bist geltungssüchtig!
  • Du willst mehr erscheinen, als du bist!
  • Du hast dich nicht unter Kontrolle!
  • Du bringst dich in eine missliche Lage und erwartest von den Anderen, dass sie dich raushauen!


4. Über die ökonomische Sinnhaftigkeit der Shoppingonomie für den Einzelmenschen

Dem ökonomischen Menschen erscheint die Shoppingeinstellung als der schnellste Weg in den finanziellen Ruin. Man kann allerdings die Frage stellen, unter welchen Umständen sie dennoch funktionieren kann. Die Antwort ist im Grund ganz einfach: Sie funktioniert dann, wenn man ein Mensch ist, der beliebt genug ist, sodass andere Menschen bereit sind, ihm zu helfen, sobald sich die Schuldenschlinge um seinen Hals zuzieht.

Hier teilt sich die Shoppingeinstellung in weibliche und männliche Strategien. Denn Rebecca Bloomwood als attraktive Londonerin in ihren zwanziger Jahren hätte zum Beispiel die Möglichkeit, einen reichen Junggesellen zu heiraten. Sie versucht das auch einmal, indem Sie mit Tarquin, dem Cousin ihrer Mitbewohnerin Suze ausgeht, der ein Landgut in Schottland im Wert von 25 Mio. Pfund geerbt hat. Doch Tarquin ist kein Shopper; er bevorzugt es, auf dem Pferd zu reiten, mit den Hunden unterwegs zu sein und Wagneropern zu hören. Rebecca mag weder Pferde, noch Hunde noch Wagneropern. Tarquin trägt ein uncooles Jackett und hat ein altes graues Scheckbuch, dem man es nicht ansieht, dass er Millionär ist. (Er legt offenbar keinen Wert darauf.) Rebecca weist ihn zurück, er erscheint ihr als ein komischer Kauz.

Am Ende des Romans löst sie ihre Geldprobleme dadurch, dass sie ein Engagement im Fernsehen bekommt, doch ihren reichen Junggesellen bekommt sie auch. Es ist das Luke Brandon, ein Jungunternehmer mit einem Nettowert von 10 Mio. Pfund. Diese Geschichte wird in diesem Buch nicht fertigerzählt, aber wir können davon ausgehen, dass Luke, wenn er Rebecca heiratet, sich ein Loch in der Geldbörse einhandelt. Denn aus ökonomischer Sicht lässt sich Shoppingsucht nur dadurch heilen, dass man dauerhaft weniger Geld ausgibt als man einnimmt. Nicht aber dadurch, dass man noch mehr Geld zuführt. Denn dadurch wird das Problem nur temporär gelöst; bald gewöhnt sich der Shoppingmensch an die größeren, zur Verfügung stehenden Geldbeträge und gibt immer größere Summen aus.

Es ist die Frage, ob es ein gutes Geschäft für Luke ist, eine Frau zu bekommen, die eigentlich keine andere Eigenschaft hat, als dass sie Geld ausgibt für Sachen, die sie nicht braucht.

Manchmal findet Rebecca durchaus den Kontakt zur Realität und sieht sich, wie sie wirklich ist (aber infolge ihres Erfolgs im TV muss sie es sich nicht wirklich eingestehen):

„I simply can't tell my kind, loving parents that their so-called successful daughter with her so-called top job is in fact a disorganized, deceitful mess, to her eyeballs in debt." (S. 225-6)

Das "Märchen", von dem dieses Buch erzählt, der Wunschtraum, von dem offenbar viele Menschen gern Erzählungen hören, besteht darin, dass man die Konsequenzen für das eigene Handeln nicht tragen muss. Der unangenehme Termin mit dem Bankberater Derek Smeath von der Endwich Bank liegt schon unmittelbar vor einem, aber man wird auf märchenhafte Weise noch einmal davor gerettet - und zwar dadurch, dass man jemandem (Tarquin Cleath-Stuart, Luke Brandon oder dem britischen Fernsehpublikum) gefällt.

Die Strategie des männlichen Shoppingcharakters lautet üblicherweise: Karriere. Karriere meint Leitungspositionen in einer großen Institution, in denen man viel verdient und auch viel ausgibt, um seinen Lebensstandard zu demonstrieren. Man hat dann beispielsweise ein großes Haus und wenig Zeit, um dort zu sein. Im Grund ist es dieselbe Strategie wie bei den Frauen, die heiraten wollen: Auch wenn man einen besseren Job haben will, macht man sich abhängig von anderen Menschen. Man zieht sich gut an, um diesen Menschen zu gefallen und hofft, dass sie einem den gewünschten Job geben werden.

Da der Zinseszins langsam wirkt, sodass man erst nach 30-40 Jahren Geldanlage signifikante Vermögenszuwächse erhält, sind eigentlich die Shoppingmenschen zumeist ihr ganzes Berufsleben lang den ökonomischen Menschen wirtschaftlich weit voraus. Denn es ist auf kurze Sicht weit lukrativer, anderen Menschen zu gefallen und von diesen dafür finanzielle Rekompensationen zu erhalten als zu sparen und zu investieren.

Es ist für eine junge Frau sinnvoller, ihr Geld für Markenkleidung und Make-up auszugeben, um dann einen 10 Mio. Pfund schweren Junggesellen zu heiraten als zu sparen und zu investieren. Es muss nur klappen. Ebenso ist es für einen jungen Mann sinnvoller, sein Geld für einen MBA, einen schnittigen Anzug und ein großes Auto auszugeben, um damit eine Führungsposition zu erhalten, in der er jährlich 100.000 Euro netto verdient als aus einem Gehalt von 2.500 Euro netto monatlich 1.500 Euro zu sparen und zu investieren. Man muss nur der Typ dafür sein.

Es ist ja nicht ohne Grund, warum das Shoppingonomische das Ökonomische in unserer Gesellschaft überwiegt. Die einzige Crux bei der Sache ist: Du musst ein Mensch sein, der in der Lage ist, von anderen Menschen zu bekommen, was er will. Wenn du das nicht schaffst, dann wirst du mit der Shoppingeinstellung scheitern. Wenn du glaubst, dass du auch, wie Rebecca Bloomwood, jederzeit fürs Fernsehen entdeckt werden kannst, dann kannst du den Shoppinglebensstil pflegen. Die ökonomische Einstellung funktioniert immer, denn ihr Inhalt besteht ja in nichts mehr, als dass man sich auf seine Möglichkeiten beschränkt.

Aber wahrscheinlich liegt es auch im Wesen von menschlichen Gemeinschaften, dass die Shoppingmentalität funktioniert und moralisch positiv aufgenommen wird: Wenn jemand von den anderen Menschen viel Geld erhält, weil er beliebt ist oder in hohem Ansehen steht – was kann man sich Positiveres vorstellen? Es entspricht dem tierischen Reaktionsmuster, dass einer sich durch körperliche Stärke zum Anführer aufschwingt und dafür von jeder Beute als erster fressen darf.

Vielleicht kommt der moralische Anschein, den die Shoppingeinstellung genießt, ja auch von daher: Die Leute meinen vielleicht - halbbewusst -, wer viel für die Gemeinschaft leiste, der solle auch von ihren Gütern am meisten zugeteilt bekommen. So hat am Ende derjenige, der von den Anderen lebt, leben muss, weil er nicht haushalten kann, möglicherweise einen besseren Ruf, als derjenige, der seine Mitmenschen nicht mit seinen eigenen Geldproblemen behelligt, weil man vermutet, dass derjenige, der für sich bleibt, ein Menschenfeind ist.

Grundsätzliche Unterschiede zwischen dem ökonomischen Menschen und dem Shoppingmenschen:

Der ökonomische Mensch:

  • kauft Gegenstände für sich selbst ein, um sie zu gebrauchen;
  • sieht sein Vermögen in seinem Geldvermögen oder geldwerten Vermögen;
  • macht sich seine ökonomische Lage mit sich selber aus;
  • verhält sich ökonomisch, um seine Freiheit und Unabhängigkeit von anderen Menschen zu steigern.

Der Shoppingmensch:

  • kauft Gegenstände mit Blick auf andere Menschen ein, um sie zu beeindrucken;
  • sieht seinen Wert in den Markenprodukten, die er besitzt;
  • ist vollkommen auf andere Menschen bezogen;
  • bringt sich in Abhängigkeit von anderen Menschen.

(3.4.2018)

© helmut hofbauer 2018