Eine
Aufklärung über die Haltung der Wissens-gesellschaft
zum Wissen
Rezension
von Konrad Paul Liessmanns: Theorie der Unbildung.
Zsolnay Verlag, Wien 2006
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„Die
Wissensgesellschaft ist keine besonders kluge Gesellschaft.“
(S. 26)
„Das
Ziel der Wissensgesellschaft ist nicht Weisheit, auch
nicht Selbsterkenntnis im Sinne des griechischen Gnóthi
seauton, nicht einmal die geistige Durchringung der
Welt, um sie und ihre Gesetze besser zu verstehen.“
(ebd.)
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Der
wertvollste Beitrag, den Liessmann in diesem Buch zum Verständnis
unserer Zeit leistet, ist die Herausarbeitung und der genaue
Nachweis der Tatsache, dass die so genannte Wissensgesellschaft
das Wissen verachtet.
„Wie
Wissen heute präsentiert wird, kann auch als
Hinweis für die zunehmende Verachtung des Wissens
gelesen werden.“ (S. 152)
„In
Summe signalisieren Begriffe wie „Wissensmanagement“
und „Wissensbilanz“, aber auch Ideologeme
wie „Halbwertszeit des Wissens“ und „Wissensballast“,
daß das Wissen ausgerechnet in der Wissensgesellschaft
aufgehört hat, Gegenstand der Achtung zu sein.
Die Geringschätzung des Gelehrten; die Ironie,
mit der Wissen, das nur gewußt, aber nicht verwertet
werden kann, behandelt wird; die Illusion, Wissen,
seine Vermehrung – Einrichtung von Exzellenzzentren
– und Entsorgung – Schließung von
Instituten – nach quantifizierbaren Kriterien
zu gestalten und zu evaluieren: all das drückt
die tiefe Mißachtung des Wissens aus.“
(S. 157) |
Das
ist keine triviale Erkenntnis, weil unsere Politiker und
Bildungsexperten fortwährend genau das Gegenteil sagen,
nämlich dass Wissen unser höchstes Gut sei. Es
scheint das aber ein sehr allgemeines Problem beim Verständnis
öffentlicher Diskurse zu sein: Immer wieder wird über
etwas in der einen Weise geredet und genau das Gegenteil
davon wird getan, sodass man als Beobachter nicht weiß,
ob hier die Taten die Worte Lügen strafen oder umgekehrt?
(Liessmann schreibt: „Die Wissensgesellschaft kann
ihre Verachtung des Wissens natürlich nicht propagieren.“
(S. 144) – aber warum eigentlich nicht? Wenn man es
geschickt macht? Die Mehrheit der Menschen ist ohnehin dafür
und fürchtet sich nur, das zuzugeben, solange die politische
Elite vom Wert des Wissens redet.)
Andererseits
besteht aber auch kein Grund, die Menschen, die uns lenken
und leiten, zu verdächtigen, Böses über uns
bringen zu wollen; für Erste sollte es genügen
zu verstehen, was sie überhaupt über uns bringen
wollen, wenn wir es schon nicht aus dem heraus erraten können,
was sie uns sagen – und genau hier liegt der größte
Wert von Liessmanns Buch Theorie der Unbildung:
Das
Ziel der Wissensgesellschaft liegt – entgegen ihrem
Namen – darin, uns von Wissen und Bildung zu befreien.
Denn Wissen ist eine mühsame Angelegenheit, daher müssen
wir es uns zum Ziel machen, uns von seiner Bürde zu
befreien, um ein unbeschwertes und frohes Leben führen
zu können.
Elite-
und Exzellenzuniversitäten
Zu diesem
Behufe werden heute in Deutschland und Österreich Exzellenzuniversitäten
gegründet. Diese haben den Zweck, dass das Wissen in
den Eliteuniversitäten bei den exzellenten Forschern
bleibt und nicht mehr heraus kann.
„Die
Rede von wissenschaftlichen Eliten und Exzellenzen
signalisiert weniger einen unbedingten Willen zur
Leistungssteigerung als vielmehr eine Tendenz zur
Abschottung und Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebs.
So wie die neuesten Reformen die Universitäten,
die bisher im wesentlichen von der öffentlichen
Hand finanziert werden, als Unternehmen definieren,
die einem Aufsichtsrat gegenüber verantwortlich
sind, der alles andere als ein Repräsentant der
Öffentlichkeit ist, so wird Wissenschaft zunehmend
als ein internationales Unternehmen interpretiert,
zu dessen Programm die Idee der Bildung der Menschen
nicht mehr gehört.“ (S. 140-141)
„Das
elaborierte Wissen einer Gesellschaft strukturell
auf eine auserlesene Schar – nichts anderes
meint Elite – zu beschränken, ist schlechterdings
vormodern und drängt den Wissenschaftler in die
Rolle des Priesters. Fraglos vermögen sich manche
mit dieser Rolle durchaus anzufreunden – dem
Konzept der Aufklärung sind Position und Gestus
des Wissenspriesters jedoch fremd.“
(S. 141)
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Dreigliederung
des Studiums in Bachelor-, Master- und Doktoratsstudium
Die neue
Dreigliederung des Studiums in Bachelor-, Master und Doktoratsstudium
hat, wie Liessmann uns aufklärt, hauptsächlich
den Zweck, dass Studenten im Bachelorstudium mit der Wissenschaft
gar nicht mehr zusammenkommen, Master- und Doktoratsstudenten
ein wenig, während die eigentliche unangenehme Last
der Auseinandersetzung mit der Wissenschaft auf jenen kleinen
Anteil aller Studierenden reduziert wird, welcher nach seinem
Master- oder Doktorabschluss an einer Eliteuniversität
aufgenommen wird. Gleichzeitig wird die Anzahl der Universitäten,
die sich mit Wissenschaft beschäftigen, von allen auf
bloß mehr eine Anzahl von „Forschungsuniversitäten“
reduziert (das sind die Eliteuniversitäten), welche
alleine finanziell ausreichend für diese Aufgabe ausgestattet
werden.
„Ein
amerikanischen Verhältnissen nachempfundenes
Modell, nach dem nur noch wenige Universitäten,
die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden,
als „Forschungsuniversitäten“ definiert
werden, der Großteil der Universitäten
aber auf Aus- und Weiterbildungsfunktionen reduziert
werden, zeichnet sich am Horizont des europäischen
Bildungsraumes ab.“ (S. 119)
„Nur
zu deutlich ist, daß für die Bachelor-Studiengänge,
in denen kaum wissenschaftliche Reputation erworben
werden kann, forschende Lehre nicht mehr vorkommen
wird. Die Exzellenzprojekte, die in Deutschland an
den Universitäten gefördert werden sollen,
und die Eliteuniversität, die in Österreich
gegründet wird, setzen überhaupt erst nach
einem abgeschlossenen Magister- oder Doktoratsstudium
an.“ (ebd.)
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Veränderung
der Gestalt des Wissens
Neben
der Umgestaltung des Universitäts- und Hochschulbereichs
ist es vor allem die Veränderung der Gestalt des Wissens,
die darauf hinweist, dass die Wissensgesellschaft Wissen
verachtet und ablehnt. Hier sind zu erwähnen: der Übergang
von Wissen zu Faktenwissen und Informationswissen sowie
die Abwendung der Gesellschaft von der Idee der Wahrheit.
Ersteres ist beispielhaft bei Quizsendungen wie „Wer
wird Millionär?“ zu beobachten: beliebige Fragen
aus verschiedenen Wissensgebieten ohne Zusammenhang. Diese
Frageweise bestimmt unsere heutige Vorstellung vom Wissen
– Wissen als einzelne Fragen, auf die man eine Antwort
weiß. Das Zweite hängt mit dem Ersten zusammen:
Wahrheit ist für Liessmann etwas Größeres
als die einzelne auf eine Frage gewusste Antwort. Es ist
ein Zusammenhang von mehreren Antworten oder Wissensbausteinen,
welcher so etwas wie eine Einsicht in oder das Verstehen
eines bestimmten Wirklichkeitsausschnitts erlaubt (S. 31,
S. 37, S. 149). Daraus folgt: Unsere heutige Vorstellung
von Wissen funktioniert ohne Einsicht und Verstehen.
„Ein
wesentlicher Grund für den Erfolg der Millionenshow
liegt aber wohl darin, daß dieses Format mit
jedem Bildungsdünkel radikal Schluß macht.
Gleichberechtigt stehen alle möglichen Wissensgebiete
und Lebensbereiche nebeneinander [...] und es fiele
auch keinem Kandidaten ein, eine Frage mit dem Hinweis
zurückzuweisen, daß man das nicht wissen
muß.“ (S. 15)
„Weil
das Wissen von den individuellen und sozialen Bildungsprozessen
entkoppelt ist, kann es nur als ein Stoff behandelt
werden, der allein nach den Kriterien der Verwertbarkeit
in Umlauf gehalten oder entsorgt werden kann. Deshalb
gibt es auch das Wissensmanagement. Und keine Gesellschaft
hat deshalb so abfällig über das Wissen
gesprochen wie die Wissensgesellschaft, da es ihr
weder um Wahrheit noch um Bildung geht. Auch für
das moderne Wissensmanagement gilt unausgesprochen
der Grundsatz: Du sollst nicht erkennen.“
(S. 148-149)
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Lebenslanges Lernen
Der
Begriff des „lebenslangen Lernens“ ist besonders
verwirrend, da er suggeriert, dass wir etwas lernen sollen.
In Wirklichkeit ist überhaupt nicht gemeint, dass wir
etwas lernen sollen, sondern wir sollen lernen zu lernen.
Wir sollen uns „Lernkompetenzen“ aneignen, heißt
das auch. Der Begriff des „lebenslangen Lernens“
bringt nach Liessmann zum Ausdruck, dass heute niemand mehr
angeben kann, was wir denn eigentlich lernen sollen. Freilich
müssen wir immer wieder etwas lernen, aber weniger,
um etwas zu wissen, denn um uns an neue berufliche Herausforderungen
anzupassen.
„...die
Ideologie des lebenslangen Lernens. [...] Ständiges
Lernen wird zu einer Notwendigkeit, genauer, zu einem
Zwang, aber niemand weiß genau, was eigentlich
wozu gelernt werden soll.“ (S. 33) |
Und
skills
Wer
hätte gedacht, dass skills auch Anzeichen für
die Verachtung der heutigen Gesellschaft gegenüber
dem Wissen sind. Aber zu diesem Zweck lesen wir ja Bücher:
um zu Gedanken zu kommen, auf die wir selber nicht gekommen
wären. Und tatsächlich erweist sich das als richtig,
wenn wir nur ein wenig darüber nachdenken wollen: Skills
als einzelne Fähigkeiten und Kompetenzen (Teamfähigkeit,
Flexibilität, etc.) sind Ausdruck genau jener Fragmentarisierung
des Wissens, welche ihm seinen Zusammenhang und damit seine
Fähigkeit, zu Einsichten zu verhelfen, nimmt.
„Die
Abkehr von der Idee der Bildung zeigt sich dort am deutlichsten,
wo man dies vielleicht am wenigsten vermutet: in den
Zentren der Bildung selbst. Die seit geraumer Zeit betriebene
Umstellung sogenannter Bildungsziele auf Fähigkeiten
und Kompetenzen (skills) ist dafür ein
prägnanter Indikator. Wer Teamfähigkeit, Flexibilität
und Kommunikationsbereitschaft als Bildungsziele verkündet,
weiß schon, wovon er spricht: von der Suspendierung
jener Individualität, die einmal Adressat von Bildung
gewesen ist.“ (S. 71) |
Schlussfolgerungen
Wenn
es eine Kritik gibt, die man Liessmann machen müsste,
dann ist es die, dass er in seiner Einstellung gegenüber
der Wissensgesellschaft mit ihrem humanen Projekt, das Wissen
zu bekämpfen und dadurch unser aller Leben leichter
und lebenswerter zu machen, voreingenommen ist, weswegen
er auch immer wieder das veraltete Humboldtsche Bildungsideal
dagegen in Stellung bringt – und es aus diesem Grund
verabsäumt, die neue Situation und ihre Konsequenzen
angemessen zu reflektieren.
Denn
es geht ja darum – und hier liegt die eigentliche
Schwierigkeit und die Herausforderung unserer Zeit –
das Wissen zu bekämpfen, obwohl unsere heutigen Gesellschaften
immer mehr Wissen benötigen, uns von der Last des Wissens
zu befreien, obwohl wir alle gezwungen sind, immer mehr
zu lernen. Wie lässt sich dieser Widerspruch denken?
Nun,
solange es ein Widerspruch bleibt, haben wir ihn noch nicht
ausreichend bedacht. Immerhin hat Liessmann mit seiner klaren
Herausstellung der Verachtung des Wissens durch die Wissensgesellschaft
bereits ein starkes und sicheres Fundament für das
Weiterdenken gelegt. Ist es also so, dass die Wissensgesellschaft
das Wissen bekämpft, obwohl sie es immer mehr benötigt
– oder nicht vielmehr umgekehrt, weil sie es immer
mehr benötigt?
„Und
im Gegensatz zur den ständigen Beteuerungen vom
Wert des Wissens wird dieses, weil es längst seines
Erkenntnisanspruchs beraubt wurde, in der Regel gar
nicht besonders geschätzt.
Man könnte die These riskieren, daß in der
Wissensgesellschaft das Wissen gerade keinen Wert an
sich darstellt. Indem das Wissen als ein nach externen
Kriterien wie Erwartungen, Anwendungen und Verwertungsmöglichkeiten
hergestelltes Produkt definiert wird, ist es naheliegend,
daß es dort, wo es diesen Kriterien nicht entspricht,
auch rasch wieder entsorgt werden muß. Gerne spricht
man von der Beseitigung des veralteten Wissens, vom
Löschen der Datenspeicher und vom Abwerfen unnötigen
Wissensballasts. Mit anderen Worten: Die Wissensgesellschaft
behandelt ihr vermeintlich höchstes Gut mitunter
so, als wäre es der letzte Dreck.“
(S. 143-144) |
Zunahme
der Menge des Wissens
Tatsächlich
nimmt die Menge des Wissens immer mehr zu, was es sinnvoll
macht, dass sich nur mehr ein Teil der Menschen (in den
Eliteuniversitäten) mit diesem Wissen beschäftigt.
Durch diese Arbeitsteilung könnte eine allgemeine Absenkung
der Allgemeinbildung ermöglicht werden.
Veränderung
der Gestalt des Wissens
Dieser
Punkt ist schon erwähnt worden. Wissen gleicht heute
dem in Informatikbüchern angebotenen Inhalten: Man
kann eines oder einige dieser Bücher durcharbeiten
– aber warum diese und nicht andere? Und alle diese
Inhalte und Skriptsprachen ändern sich so schnell,
dass das Wissen, das man sich aneignet, in einigen Jahren
bereits wieder „veraltet“ sein wird. Es tut
also nicht gut, sich mit derartigem Wissen allzu stark zu
identifizieren. Anstatt dessen wäre es besser, uns
selber mehr wie Computerfestplatten zu betrachten, deren
Daten von Zeit zu Zeit gelöscht werden müssen.
Unwissend
in der neuen Unübersichtlichkeit
Somit
ist es das, was Wissen heute ist – eine rasch zunehmende
Menge an zeitweilig gültigen Informationen, mit denen
wir uns nicht besonders intim machen -, was den Abwurf von
„Wissensballast“ ermöglichen sollte. Wissen
ist heute nicht mehr sinnvoll, weil aufgrund der Art des
zur Verfügung stehenden Wissens in seiner Fragmentierung
und mit seiner kurzen Halbwertszeit Zeit- und Kräfteverschwendung.
Somit ist es diese neue Unübersichtlichkeit des Informationsdschungels,
den man mit Wissen nicht mehr bewältigen kann, die
uns zu unserer neuen Unwissendheit befreien kann. Es gibt
soviel zu wissen, dass eine jede bestimmte Gestalt von Bildung
sinnlos geworden ist – also dürfen wir ohne Bildung
leben. Freilich müssen wir immer wieder etwas lernen,
aber identifizieren müssen wir uns mit den Lerninhalten
nicht, weil das Konzept des lebenslangen Lernens besagt,
dass wir nachher ohnehin wieder etwas anderes lernen werden
müssen.
Doppelcharakter
der Wissensgesellschaft
Es
ist genau dieser Doppelcharakter der Wissensgesellschaft,
der es erlaubt, von ihr einerseits so zu reden, als sollten
wir in Hinkunft mehr lernen und wissen und andererseits
so, als sei sie ganz gegen Bildung und Wissen eingestellt.
Beides stimmt, deshalb ist es so schwer, über sie zu
reden. Dennoch hat Liessmann Recht, wenn er darauf besteht,
dass die Wissensgesellschaft Bildung und Wissen verachtet,
weil sie das nämlich wirklich tut: Es geht der Wissensgesellschaft
nicht mehr um das Wissen und darum, ob die Menschen etwas
wissen oder nicht.
„Nicht
um Bildung geht es, sondern um ein Wissen, das wie ein
Rohstoff produziert, gehandelt, gekauft, gemanagt und
entsorgt werden soll, es geht – sieht man von
den Sonderprogrammen für die neuen Wissenschaftseliten
einmal ab – um ein flüchtiges Stückwerkwissen,
das gerade reicht, um die Menschen für den Arbeitsprozeß
flexibel und für die Unterhaltungsindustrie disponibel
zu halten. Die Differenz zwischen den avanciertesten
Formen wissenschaftlicher Erkenntnisse und dem allgemeinen
Bildungsstand dürfte deshalb auch nicht kleiner,
sondern eher größer werden.“
(S. 53) |
Aber,
und das ist die Pointe, die Liessmann vielleicht nicht klar
genug sieht: Das ist nicht so, obwohl die
Politiker und Bildungsexperten genau das Gegenteil davon
sagen, nämlich dass Wissen unser höchster Wert
ist, sondern das ist deshalb so: Den höchsten
Wert gibt man Spezialisten in die Hand, den überlässt
man nicht dem gewöhnlichen Menschen auf der Straße
oder dem gewöhnlichen Studenten in einer gewöhnlichen
Universität, die keine Eliteuniversität ist.
Umgekehrt
ist das Wissen in den Eliteuniversitäten heute auch
nicht mehr von der Art, dass man mit ihm mehr wüsste
(mehr Einsicht hätte), wenn man auch mit ihm mehr manipulieren
und mehr technische Geräte bauen kann. Es ist ganz
einfach das Wissen selber zu einer Belastung geworden, die
man nur noch hoch qualifizierten Spezialisten im Gegenzug
für eine hohe Bezahlung als Entschädigung zumuten
will.
Wir
übrigen Menschen hingegen können dadurch von diesem
nicht aufklärenden, sondern nur belastenden, Bruchstück-
und Faktenwissen befreit werden und dürfen in seliger
Unwissendheit dahinleben – was soll daran schlecht
sein? Zuzustimmen hingegen ist Liessmann wieder in Folgendem:
„Das mindeste aber wäre, dass man dies klar sagte...“
(S. 141)
Unbildung
So
heißt das Buch „Theorie der Unbildung“,
weil Liessmann offenbar meint, allein mit diesem Wort „Unbildung“
die Menschen aufschrecken und beschämen zu können,
während es doch in Wirklichkeit keinen müden Hund
hinter dem Ofen hervorlockt.
„Unbildung
ist die authentische Ausdrucksform der Wissensgesellschaft,
sie nistet mittlerweile in deren Zentren, sie frißt
am Geist überhaupt.“ (S. 174) |
Unbildung
ist wieder möglich geworden durch die Zunahme des Wissens,
lebenslanges Lernen und Wissensmanagement – und auch
wenn Liessmann es als ein „Projekt der Gegenaufklärung“
(S. 142) denunziert, die Wissensgesellschaft ermöglicht
es den Menschen aufgrund und wegen der Menge ihres Wissens
erneut, in der Unschuld des Unwissens zu leben wie einstmals
Adam und Eva im Paradies. Kein Apferl der Erkenntnis von
Gut und Böse kann uns jetzt mehr schaden, weil alle
Informationen, in die wir beißen, kein Wissen mehr
mit sich bringen. Darauf haben die Menschen lange Zeit vergeblich
gewartet – und die Überraschung war, dass dies
gerade durch das Wissen möglich hatte werden sollen.
2. Mai
2009 |