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Über lebenslanges Lernen und Weiterbildung

 

Diese Zeilen schreibe ich hauptsächlich für mich – und für Menschen, die mir ähnlich sind -, weil ich den Verdacht habe, dass individualistisch orientierte und dem Lernen gegenüber aufgeschlossene Menschen, so wie ich, immer etwas falsch verstehen, wenn vom lebenslangen Lernen die Rede ist.

Lebenslanges Lernen ist jetzt in aller Munde, jede Woche zumindest einmal kann man in den Tageszeitungen, meist in Form einer Beilage, ausführlicher über Weiterbildungsmaßnahmen lesen. Eine solche Entwicklung sollte einen individualistisch eingestellten Menschen an sich sehr freuen, ist ein individualistisch eingestellter Mensch doch ohnehin ein Mensch, der auf Lernen und die Weiterentwicklung seiner Person konzentriert ist. In nichts anderem besteht ja Individualismus als darin, dass ein Mensch Hoffnungen in seine eigene Weiterentwicklung als Person setzt, denn wäre ein persönliche Entwicklung nicht möglich und bliebe sich der Mensch ein ganzes Leben lang immer gleich, dann wäre es doch ziemlich öde, ein Individualist zu sein und die damit verbundene Konzentration auf sich selbst würde einem bald als sinnlos erscheinen.

Einem individualistisch orientierten Menschen wie mir, der die allüberall in der Gesellschaft mittlerweile omnipräsente Rede oder sogar Moralpredigt von Seiten von Politikern, Bildungsverantwortlichen, Beratern und Journalisten über lebenslanges Lernen hört, muss es am Anfang so erscheinen, als hätte die Gesellschaft plötzlich seine Werte entdeckt, als hätte die Gesellschaft plötzlich oder mittlerweile den Wert des Lernens eingesehen und als würde die Gesellschaft nun also dieselben Werte verehren und hochhalten, wie er es selber vorher schon und für sich selber getan hatte.

Das wäre natürlich eine Freude, wenn man sich als Individuum wertmäßig mit der Gesellschaft, in der man lebt, endlich einmal in Einklang fühlen könnte, wenn man nicht immer das Gefühl haben müsste, gegen den Strom zu schwimmen und dass man eben deshalb so schwer vorankommt, weil man gegen den gesellschaftlichen Strom unterwegs ist, sondern dass der gesellschaftliche Strom sich endlich einmal in die Richtung bewegt, in ich selber auch unterwegs bin, weil ich diese Richtung als die für mich richtige auserkoren habe: Die Gesellschaft möchte also neuerdings von uns, dass wir lernen – und wir dürfen lernen!

So könnte das alles, wie gesagt, einem individualistisch orientierten Menschen wie mir erscheinen, mit der Folge, dass er noch stärker das macht, was er bislang auch schon gemacht hat, und mit mehr Verve, weil er sich ja jetzt mit der Gesellschaft im Einklang fühlt und zudem auch meint, die Gesellschaft würde seine Bemühungen, Neues kennen zu lernen und lernend es in sich aufzunehmen, von nun an zur Kenntnis nehmen und sie würdigen sogar. Es könnte aber sein, dass ein solcher Mensch mit seinem Glauben ziemlich auf dem Holzweg ist und sich mit seinen Handlungsorientierungen gezielt (aber nicht zielbewusst) selber ins gesellschaftliche Out spielt.

Für einen solchen Menschen also (und für keinen anderen) sind diese Ausführungen geschrieben, und für einen solchen Menschen möchte ich, nach einigem Nachdenken über dieses Thema des lebenslangen Lernens, folgende Warnungen formulieren:

1) Das Schlagwort vom „lebenslangen Lernen“ meint nicht, wie wir vielleicht meinen könnten, dass wir zu Hause sitzen sollen und irgendetwas lernen. Niemand will, dass wir zu Hause sitzen und irgendetwas lernen – auf den Gedanken können auch nur wir verfallen, weil wir das ohnehin schon immer tun. Weil wir das ohnehin schon immer tun, meinen wir jetzt, mit der Durchsetzung der Idee des „lebenslangen Lernens“ in der Gesellschaft wäre die Gesellschaft nun soweit gekommen, das zu würdigen, was wir als individualistisch eingestellte, bildungslustige und bildungslüsterne Menschen ohnehin schon immer tun. Aber das ist nicht wahr. Es ist deshalb nicht wahr, weil sich das, was wir, wenn wir alleine sind, zu Hause machen, nicht überprüfen lässt. Nur das aber, was sich mehr oder weniger objektiv, von einer Bildungsorganisation oder einem Institut überprüfen lässt, kann von der Gesellschaft gewürdigt werden.

Somit ist also die erste große Gefahr, die uns bildungsoffen eingestellten und wissensdurstigen Menschen durch das Schlagwort vom „lebenslangen Lernen“ droht, diejenige, dass wir zu Hause sitzen bleiben und tun, was wir glauben, dass alle Welt von uns erwartet, nämlich zu lernen, was aber der größte Fehler ist, den wir begehen können. Der Begriff des „lebenslangen Lernens“ ist nicht für Menschen wie uns erdacht worden, sondern für solche, die einmal in ihrem Leben in die Schule gegangen und einen Beruf erlernt haben und fortan nie wieder ein Buch aufschlugen; diesen Menschen soll mit dem Ausdruck „lebenslanges Lernen“ gesagt werden, dass diese eine Berufsausbildung in der heutigen schnell sich verändernden Arbeitswelt nicht mehr ausreicht und sie sich deshalb beruflich weiterbilden müssen; aber er ist nicht für Menschen erdacht und gemacht worden, die ohnehin immer schon die Gewohnheit hatten, ihr Leben lang zu lernen. Aus diesem Grund trägt er die falsche Botschaft in sich, wenn er diese Menschen erreicht, und diese Botschaft geht nicht nur ein wenig in die falsche Richtung, sondern sie weist sogar in die diametral verkehrte Richtung und führt uns völlig auf den falschen Weg, während er für Menschen, die nie gern gelernt haben, die richtige Handlungsanweisung enthält.

Für sie, für diese Menschen, für die Weiterbildung früher kein Ziel war, hält das „lebenslange Lernen“ die Handlungsanweisung parat, dass sie jetzt langsam damit anfangen sollten, auch in höherem Alter noch was dazuzulernen. Für solche Menschen wie mich hingegen muss die Botschaft aus diesem Begriff des "lebenslangen Lernens", scheint es, paradox entschlüsselt werden, also verkehrt herum, damit sie einigermaßen richtig ist. Sie muss also lauten: Hör auf zu lernen! Hör vor allem auf, allein zu lernen, (auch wenn du das am liebsten tust)! Geh anstatt dessen hinaus und beleg einen Kurs in einem Weiterbildungsinstitut! Aber werde dir bewusst: Lernen ist ein Luxus, ist eine Zeitverschwendung, weil du dafür kein Zeugnis und kein Diplom bekommst! Hör deshalb schleunigst auf mit dem Lernen und geh hinaus in die Welt – beschäftige dich nicht länger mit dir, sondern mit ihr!

2) Die fortwährende Rede vom lebenslangen Lernen, die uns allüberall entgegenschlägt, könnte uns auch zu dem Gedanken verführen, dass der Wert des Lernens in unserer Zeit gestiegen wäre, dass also für die heutige Gesellschaft das Lernen selber neuerdings einen Wert darstellt, den sie zu schätzen begonnen hat. Zu so einem Gedanken könnten wir zumindest verführt sein, weil wir das Lernen schätzen, weil es für uns einen Wert darstellt und weil wir uns deshalb wünschen, dass die Gesellschaft es auch schätzt.

Wiederum scheint mir, nach einigem Nachdenken, das Gegenteil von dieser Annahme richtiger zu sein: Die heutige Gesellschaft unterscheidet sich von jener vor einer oder zwei Generationen vor allem durch die Schnelligkeit, mit der erworbene Qualifikationen heute entwertet werden. Kaum haben wir etwas gelernt, ist es am Arbeitsmarkt schon nicht mehr gefragt und deshalb auch nichts mehr wert. Das „lebenslange Lernen“ ist mehr eine Folge und notwendige Konsequenz dieses Phänomens der Entwertung von beruflichen Qualifikationen - der Entwertung von Lernen und Gelerntem also -, meist verursacht durch technische Neuerungen, als dass es eine Folge eines höheren Wertes wäre, den wir alle zusammen im Lernen erkannt hätten. Das lebenslange Lernen ist also nur die Wiedergutmachung, die Aufholbewegung, zu der sich die einzelnen Menschen gezwungen sehen, weil ihnen dasjenige, was sie früher gelernt hatten, weggebrochen ist und sie mit nichts dasstehen, wenn sie nicht durch neues Lernen das entstandene Wissensdefizit auffüllen.

Ma kann also sagen, lebenslanges Lernen meint nicht, wie wir es vielleicht gerne hätten, dass der Wert des Lernens gestiegen wäre oder dass die Gesellschaft die Lernbemühungen von Individuen jetzt besser würdigen würde, sondern lebenslanges Lernen meint hauptsächlich, dass der Wert des Wissens drastisch gefallen ist – und mit dem Wert des Wissens ist natürlich auch der Wert des Lernens gefallen, weil Lernen immer nur soviel wert ist wie das Wissen, dass man sich dadurch aneignet. Es geht darum, diese „Defizitbewegung“ zu verstehen, die sich hinter dem lebenslangen Lernen verbirgt: Nicht deswegen, weil die Gesellschaft erkannt hätte, dass das Lernen einen positiven Wert darstellt, sollen wir Individuen plötzlich lernen, um uns auf diese Weise gleichsam einen immateriellen Schatz anzusammeln, sondern ganz im Gegenteil, weil durch allgemeine gesellschaftliche Transformationsentwicklungen gleichsam ein Loch entstanden ist, das aufgefüllt werden muss, ein Nachholbedarf bei den Arbeitnehmern, der abgearbeitet werden muss, deshalb sollen wir lernen, darauf sollen wir lernend reagieren, um den "Nullzustand", der vorher bestanden hatte, wieder herzustellen.

Wiederum sehe ich kein Problem bei allen jenen Menschen, für die Lernen nie einen Wert dargestellt hat, die mit Lernen immer nur Mühsal, Schweiß und Qual verbunden haben und für die Lernen immer ganz allgemein gesprochen etwas gewesen ist, das in ihnen das Gefühl der Unlust erzeugt hat, die Botschaft richtig zu verstehen: Von nun an ist es also offenbar notwendig, sich beruflich weiterzubilden – und dann orientieren sie sich, welche von den angebotenen Kursen und Studien dafür am besten geeignet sind. Einen individualistisch orientierten Menschen, für den das Lernen immer schon einen Wert dargestellt hat, sehe ich hingegen durch derlei Botschaften oder Scheinbotschaften in die höchste Gefahr gebracht. Ein solcher Mensch könnte etwa meinen: Man will von mir, dass ich was lerne, also lerne ich was! – und dann sucht er sich unter all den Weiterbildungsinstituten, die jetzt wie Schwammerl nach dem Regen aus dem Boden schießen, irgendeinen Kurs aus, der ihn interessiert. Wenn er diesen Kurs als persönlichen Luxus betrachtet und ihn deshalb belegt, weil er es selber eben so will, ist freilich nichts dagegen zu sagen – ansonsten aber muss man warnen: Keine Handlungsweise kann falscher sein als diese!

Der Grund dafür scheint mir darin zu liegen, dass der bildungsferne Mensch, derjenige, der vor dem Lernen Abscheu empfindet, durch diese Empfindung richtig und weise geleitet, genau jene Weiterbildungsangebote auswählt, die ihn beruflich am besten voranbringen. Jener andere Mensch hingegen, der gern lernt - und mit dem Lernen vielleicht gar noch irgendwelche idealistischen Vorstellungen verbindet, Ideen von persönlicher Vervollkommnung oder Ähnliches -, wird bei der Auswahl des Weiterbildungskurses immer auch andere Ziele verfolgen, z.B. wird er denjenigen Kurs wählen, bei dem er das Gefühl hat, dass er ihn in seiner persönlichen geistigen Entwicklung, dort, wo er eben das Gefühl hat, gerade zu stehen, am besten weiterhelfen kann – und das ist natürlich grundfalsch. Am Ende wird er immer in den falschen Kursen sitzen und die falschen Dinge lernen – und weil er mit seinem solcherart erworbenen Wissen für keinen Arbeitgeber attraktiver werden wird, wird er am Ende auch das Gefühl haben, von der Gesellschaft mir ihrem Gerede übers "lebenslange Lernen" betrogen worden zu sein, schließlich hatte er doch gelernt, so wie er meinte, dass sie es von ihm verlangte und nun begegnet man ihm so abschätzig.

Ich glaube, wir individualistisch orientierten Menschen, für die Lernen an sich etwas Erstrebenswertes darstellt, müssen einfach verstehen, dass wir – paradoxerweise, weil die gesellschaftliche Entwicklung hin zum lebenslangen Lernen ja in unsere Richtung zu gehen scheint – die für das Verständnis unserer heutigen Situation in der Gesellschaft falschen Werte haben und dass diese Werte uns bei unseren Entscheidungen in die Irre führen!

Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, dass sich die Rede vom lebenslangen Lernen nicht an uns richtet, sondern an die Mehrheit der Menschen in der Gesellschaft – und das sind eben diejenigen Menschen, für die Lernen keinen positiven Wert darstellt und mit nichts sonst außer mit Unlust assoziiert wird. Diesen Menschen wird das Schlagwort vom lebenslangen Lernen kommunizieren, dass sie sich jetzt beruflich weiterbilden müssen, aber weil Lernen für sie keinen Wert darstellt und die mit dem Lernen verbundene Unlust in ihnen ja weiterhin wirkt, werden sie versuchen, mit dem geringsten Aufwand den größten Gewinn aus dieser unangenehmen Notwendigkeit herauszuschlagen. Und das ist gerade richtig so!

Wir bildungsfreudigen Menschen werden hingegen versuchen, unsere mit Lernen und Wissen verbundenen Interessen zu verfolgen (und zu befriedigen), und diese Handlungsorientierung wird uns in der Weise in die Irre führen, dass wir nicht sorgfältig und vor allem nicht richtig auswählen, was wir lernen wollen, sodass wir am Ende nur viel Geld ausgeben und uns verzetteln werden. Wiederum also müssen wir verstehen, dass dieser Imperativ vom lebenslangen Lernen für die nichtindividualistisch orientierten Menschen ersonnen worden ist, für die Menschen, die nicht gern lernen, und dass er z.B. auch in dieser Weise zu verstehen ist, wenn wir vom „lebenslangen Lernen“ etwa in den Zeitungsbeilagen lesen, während Menschen wie wir diesen Imperativ anders, nämlich verkehrt herum entschlüsseln müssen, damit wir ihn einigermaßen wenigstens richtig verstehen.

Bedeutet lebenslanges Lernen für die „normalen“ Menschen also einigermaßen das, was es dem Wortsinn nach zu bedeuten scheint, nämlich dass man von jetzt an nicht nur einmal im Leben, in der Jugend nämlich, lernen soll, sondern auch später immer wieder, so müsste man Menschen wie uns das lebenslange Lernen eigentlich am besten so erklären, indem man sagt: "Passt auf! Wissen und Lernen haben drastisch an Wert verloren! Achtet sorgfältig darauf, was zu lernen ihr euch auswählt – und noch wichtiger ist: Schaut genau, was ihr alles NICHT lernen solltet! Immer mehr ist nicht immer besser, so wie ihr bisher gedacht habt! Sammelt alles und schafft euch einen Überblick darüber, was ihr nicht lernen werdet, all die Kurse, die ihr nicht belegen werdet, weil sie für euch nicht hundertprozentig passen oder all die Weiterbildungsinstitute, die ihr nicht besuchen werdet, weil sie vom Arbeitsmarkt zu wenig honoriert werden! Begegnet Neuem nicht mit Interesse, sondern mit Misstrauen - es stiehlt euch meistens nur die Zeit! Lernt immer weniger, lernt nur mehr das absolut Notwendige, dafür aber das Richtige! Wählt das Richtige aus!"

Abschließend möchte ich noch einmal betonen: Das Schlagwort vom „lebenslangen Lernen“ scheint mir für Menschen wie mich äußerst gefährlich zu sein. Die Gefahr besteht darin, es in meinem Sinne zu verstehen und nicht zu verstehen, dass es gar nicht für Menschen wie mich erdacht und in Umlauf gebracht worden ist. Der Ausdruck „lebenslanges Lernen“ scheint mir zu vermitteln, dass ich auf dem richtigen Weg bin, wenn ich weiterhin das tue, was ich ohnehin schon immer tue, nämlich lebenslang zu lernen und dass die Gesellschaft nun neuerdings offenbar bereit ist, die Bemühungen des Einzelnen, was auch immer er lernt und sich aneignet, zu sehen und zu würdigen. Er wiegt mich also in Ruhe. Nach einigem Nachdenken über diese Frage, erweist sich dieser Glaube aber als nicht richtig, und es zeigt sich zugleich, dass – seltsamerweise – für einen individualistischen Menschen wie mich die genau entgegen gesetzten Schlagwörter und Handlungsanweisungen viel besser wirken würden, um mich einigermaßen in diejenige Richtung zu bringen, in die mich das „lebenslange Lernen“ bringen will oder sollte.

„Lebenslanges Lernen“ bedeutet also, ich will es euch hier verdeutschen, aber bitte nur für solche Menschen wie mich, die einen "perversen" Hang zum Lernen haben und eine gewisse Zuneigung zur Beschäftigung mit geistigen Dingen in sich tragen: „Lebenslanges Lernen“ will uns sagen: Kein privates Lernen mehr! In Zukunft kein Lernen mehr, das kein Zeugnis oder Diplom abwirft! Und: Kein Lernen dessen mehr, wofür man sich interessiert! Lernen sollte man ausschließlich das, was am Arbeitsmarkt am erfolgversprechendsten ist! Interesse und Wissbegier bei der Auswahl des Lerninhalts oder des Lernkurses führen dagegen mit Bestimmtheit in die Irre! Machen Sie eine Berufsberatung, lassen Sie sich eine Weiterbildung von einer kompetenten Person empfehlen – und wissen Sie, dass Sie mit Ihrer Einstellung zum Lernen, dass Sie eben gern lernen, eben gerade nicht optimal in die Gesellschaft des lebenslangen Lernens passen und dass Sie von dieser Ihrer Einstellung permanent in die Irre geführt werden!

Vielleicht ist es mit dem lebenslangen Lernen im Grunde ja genauso wie mit der Schule. Dort schimpft auch der Lehrer: „Jetzt seid ihr aber alle mal brav!“ – und der kleine Franzi sitzt in der ersten Reihe und ist wirklich brav. Dabei hat er den Lehrer doch nur missverstanden: Der Lehrer hatte das doch nicht für die braven Kinder gesagt, sondern für die schlimmen! Und er wollte ja auch in Wirklichkeit nicht, dass die Kinder wirklich (ganz) brav sind, sondern er wollte nur, dass sie sich ein beim Schlimmsein ein bisschen zurückhalten. Aber der kleine Franzi hatte gehört, er solle brav sein und hatte gemeint, es sei so zu verstehen, dass er wirklich brav sein sollte. Und er verinnerlicht dieses Verhalten (Bravsein) und hat dann ein Leben lang einen Nachteil dadurch, weil in der Welt nur die Lautesten und Schlimmsten, nun, nicht „gewinnen“, aber wenigstens keinen Nachteil erleiden. Und so hat der kleine Franzi also für die Schule gelernt und nicht für das Leben. Die Frage ist nur, wie erklärt man einem braven Kind die „paradoxe Kommunikation“, wie sie in der Schule (und anderswo) abläuft?

 

30. März 2007

 

© helmut hofbauer 2007