Michel
Foucault: "Was ist ein Autor?" - ZUSAMMENFASSUNG
Michel
Foucault: „Was ist ein Autor?“, in: ders.: Schriften
zur Literatur. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2003. S. 234-270.
„Was
ist ein Autor?“ ist ein Vortrag, den Michel Foucault
am 22. Februar 1969 vor der Société française
de la philosophie gehalten hat.
Er beantwortet
darin die Frage: Was ist ein Autor? – wie folgt: „Ich
bedaure sehr, dass ich für die jetzt folgende Debatte
keinen konkreten Vorschlag mitbringen kann…“
(S. 258) – und es findet sich seltsamerweise tatsächlich
im ganzen Vortrag keine Antwort auf die Frage, was ein Autor
Michel Foucaults Meinung nach ist.
Foucault
leitete seinen Vortrag ein mit der Feststellung, dass der
Autor „tot“ sei, welche er weder ausführte
noch begründete, sondern von der er bloß sagte:
„All das ist bekannt; und schon seit geraumer Zeit
haben die Literaturwissenschaft und die Philosophie dieses
Verschwinden oder diesen Tod des Autors zur Kenntnis genommen.“
Wir können also zur Kenntnis nehmen, dass Michel Foucault
es für eine Selbstverständlichkeit gehalten hat,
dass „der Autor tot ist“ oder vielleicht ist
es auch so, dass diese Behauptung 1969 in Frankreich als
Selbstverständlichkeit gegolten hat.
Im
Laufe seines Vortrags spricht Foucault dann nicht davon,
was ein Autor ist, sondern als was er in den Augen der Gesellschaft
(oder in den gebildeten Diskursen der Wissenschaftler und
Intellektuellen) gilt – was doch ein wesentlicher
Unterschied ist – und versucht auf diese Weise herauszuarbeiten,
was der „Autordiskurs“ ist („…dass
es in einer Zivilisation wie der unseren eine bestimmte
Zahl von Diskursen gibt, die die „Autor“-Funktion
aufweisen…“ (S. 245) und welche Funktion dieser
Autordiskurs in der Gesellschaft erfüllt.
Auf
diese Weise lässt sich etwa differenzieren, dass der
Autor der Gesellschaft nicht immer als das Gleiche gegolten
hat, etwa dadurch, dass erst „Ende des 18. Jahrhunderts
und Anfang des 19. Jahrhunderts“ „strenge Gesetze
über Urheberrechte, über Beziehungen zwischen
Autoren und Verlegern, über Reproduktionsrechte etc.
[erlassen]“ (S. 246) worden sind und dadurch gewissermaßen
nicht nur der Status des Autors eines Werks sondern auch
der Inhalt dieses Begriffs „Autor“ eine Neubestimmung
erfahren hat. Es lässt sich allerdings nicht übersehen,
dass Foucault hier wie im ganzen übrigen Vortrag nicht
darüber redet, was ein Autor ist, sondern was die Gesellschaft
aus einem Autor macht. Wenn man den Kurz-Schluss vollzieht
– wie es tatsächlich häufig getan zu werden
scheint – dass das, was ein Autor ist, und das, als
was der Autor der Gesellschaft gilt (=wie die Gesellschaft
bestimmt, was ein Autor ist), dasselbe ist, dann kann man
in den Ausführungen Foucaults in diesem Teil des Vortrags
tatsächlich die Antwort finden auf die Frage, was ein
Autor sei, sonst aber nicht.
Hieraus
lassen sich am Ende des Vortrags konkrete Arbeitsaufgaben
für die Literaturwissenschaft ableiten; man könnte
etwa, anstatt dem Autor nachzuforschen, alles Folgende versuchen:
„Vielleicht ist es an der Zeit, Diskurse nicht mehr
nach ihrem Ausdruckswert oder nach formalen Transformationen
zu untersuchen, sondern in ihren Existenzmodalitäten:
in der Art und Weise ihrer Zirkulation, ihrer Bewertung,
ihrer Zuschreibung, ihrer Aneignung variieren die Diskurse
mit jeder Kultur und verändern sich in jeder Kultur;
die Art, in der sie sich über die sozialen Verhältnisse
äußern…“ (S. 258) (Anm.: Man kann
hier statt „Diskurs“ „literarisches Werk“
lesen, dann funktioniert das.)
Als
Konklusion des Vortrags lässt sich formulieren, dass
Foucault in diesem Vortrag nicht sagt, was ein Autor ist,
sondern dass er den Wunsch äußert, dass das Reden
über die Autoren (der Diskurs über den Autor)
ersetzt werden sollte durch einen Diskurs über die
Diskurse und ihre Entstehungsbedingungen: „Man kann
sich eine Kultur vorstellen, in der Diskurse zirkulierten
und rezipiert würden, ohne dass es die Autor-Funktion
gäbe. […] Man hörte nicht länger die
so lange wiederholten Fragen: „Wer hat wirklich gesprochen?
Ist das auch er und kein anderer? Mit welcher Glaubwürdigkeit,
welcher Originalität? Und was hat er aus seinem tiefsten
Innersten in seinem Diskurs ausgedrückt?“ Dafür
wird man andere hören: „Welches sind die Existenzweisen
dieses Diskurses? Von wo aus wurde er gehalten, wie kann
er zirkulieren und wer kann ihn sich aneignen? Welches sind
die Plätze, die für verschiedene Subjekte vorgesehen
sind? Wer kann diese verschiedenen Subjekt-Funktionen ausfüllen?“
Und hinter all diesen Fragen würde man kaum mehr als
das Geräusch einer Gleichgültigkeit vernehmen:
„Was liegt daran wer spricht?““ (S. 259-260)
Unklar
jedoch bleiben oder mehr Aufklärung würde man
sich aus dem Vortrag über die Frage wünschen,
welche denn Michel Foucaults persönliche Motive sind,
um das „Geräusch einer Gleichgültigkeit“
der Rede über die Autoren vorzuziehen? Welcher Wunsch
nach Auslöschung und Selbstauslöschung ist da
am Werk und durch welche Gründe rechtfertigt er sich?
8.
Oktober 2007
Ingeborg
Bachmann: Das schreibende Ich
Leseeindrücke
bei der Lektüre von Richard Rortys Buch Kontingenz,
Ironie und Solidarität
Wie
eine exakte Literaturwissenschaft möglich ist
In
der Literatur soll uns die Schrift von der Wissenschaft
erlösen.
Über Roland Barthes Aufsatz: "Der Tod des Autors"
Der Poststrukturalismus - Kurzdarstellung der Charakteristika und Wirkung
|